31.10.2025 Ausgabe: 7/2025

Nach altem Recht kann der Störer dem Beseitigungsverlangen gegen eine bauliche Veränderung einen Gestattungsanspruch entgegenhalten.

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(BGH, Urteil vom 18.7.2025 – Az. V ZR 29/24)

Das Thema

Mit seinem Urteil vom 18. Juli 2025 behandelt der Bundesgerichtshof (BGH) zwei für die Praxis äußert relevante Fragestellungen im Hinblick auf die Zulässigkeit baulicher Veränderungen. Zum einen befasst er sich mit der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit baulicher Veränderungen und der Durchsetzbarkeit des Rückbauanspruchs, insbesondere, ob ein Eigentümer, der eine bauliche Veränderung ohne Beschlussgrundlage vorgenommen hat, dem Rückbauverlangen der Gemeinschaft einen Gestattungsanspruch entgegenhalten kann. Dies hat der BGH zumindest für das bis einschließlich zum 30. November 2020 geltende Recht bejaht. Zum anderen – und auch diese Frage bejaht der BGH im Sinne der Rechtssicherheit – stellt er fest, dass eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums nicht zwingend einen Substanzeingriff voraussetzt.

Der Fall

Der Beklagte, der Mitglied der klagenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) ist, hat über die gesamte Länge des Balkons eine aus neun Solarplatten bestehende, deutlich sichtbare Solaranlage befestigt. Unbekannt ist, ob die Solaranlage unmittelbar an der Balkonbrüstung oder an einer auf dem Balkon stehenden Konstruktion montiert ist. Jedenfalls hebt sich die ohne gestattenden Beschluss angebrachte Konstruktion erheblich von der Gestaltung der anderen Balkone ab.

Die GdWE begehrt den Rückbau der Sonnenkollektoren zumindest derart, dass sie von außen nicht mehr sichtbar sind. Sie hat in erster Instanz obsiegt. Auf die Berufung des Beklagten hin hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung – mit Erfolg.

Wird ein Wohnungseigentümer auf Rückbau in Anspruch genommen und wurde die bauliche Veränderung vor dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) vorgenommen, ist fraglich, welches materielle Recht Anwendung findet. Entscheidend ist, ob die bauliche Veränderung vor dem 1. Dezember 2020 – und damit vor Inkrafttreten des WEMoG – abgeschlossen wurde. Ist dies der Fall, ist altes Recht anwendbar.

Im Ergebnis besteht der Rückbauanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowohl nach neuem als auch nach altem Recht.

Nach neuem Recht bedarf eine bauliche Veränderung nach § 20 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) regelmäßig eines vorhergehenden Gestattungsbeschlusses der Gemeinschaft. Fehlt ein solcher Beschluss – wie vorliegend –, ist die Maßnahme rechtswidrig und begründet einen Anspruch der GdWE auf Beseitigung gemäß § 1004 Abs. 1 BGB.

Auch bei Anwendung des bis zum 30. November 2020 geltenden Rechts ergibt sich keine abweichende Bewertung. Zwar konnte der störende Eigentümer dem Rückbauanspruch einredeweise einen nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 WEG a. F. bestehenden Gestattungsanspruch nach § 242 BGB entgegenhalten, wonach eine bauliche Veränderung grundsätzlich zulässig war, wenn keinem Wohnungseigentümer hierdurch ein Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG a. F. entstand. Jedoch musste auch nach altem Recht ein Nachteil nicht hingenommen werden, wenn eine nicht ganz unerhebliche, objektive und konkrete Beeinträchtigung gegeben war. Ein solcher Nachteil besteht im konkreten Fall durch die installierte Solaranlage aufgrund ihrer Größe, Farbgebung und Sichtbarkeit, die deutlich vom übrigen Erscheinungsbild der Wohnanlage abwich und den optischen Gesamteindruck nachhaltig störte. Ein Gestattungsanspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) konnte dem Beseitigungsbegehren daher nicht erfolgreich entgegengesetzt werden.

VERWALTERSTRATEGIE

Ist die bauliche Veränderung bis zum 30. November 2020 abgeschlossen, findet das vor dem Inkrafttreten des WEMoG geltende Recht Anwendung und der störende Eigentümer kann dem Beseitigungsverlangen der Gemeinschaft im Rahmen von § 242 BGB einen Gestattungsanspruch nach § 22 Abs. 1 WEG a. F. entgegenhalten. Ist hingegen die bauliche Veränderung in tatsächlicher Hinsicht nicht vor dem 30. November 2020 abgeschlossen, findet das neue Recht in der seit 1. Dezember 2020 geltenden Fassung Anwendung und ein – ggf. – nach § 20 Abs. 3 WEG n. F. bestehender Anspruch kann dem Beseitigungsverlangen nicht entgegengehalten werden. Dem beklagten Eigentümer bleibt einzig der Weg offen, eine auf Beschlussersetzung gerichtete Widerklage zu erheben.

Zudem hat der BGH mit seiner vorstehenden Entscheidung die vertretene Ansicht, dass eine bauliche Veränderung einen Substanzeingriff in das Gemeinschaftseigentum voraussetzt, verneint und klargestellt, dass eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums nach § 20 WEG auch bereits dann gegeben ist, wenn kein Substanzeingriff vorliegt, die Maßnahme jedoch auf Dauer angelegt ist und das optische Erscheinungsbild der Wohnungseigentumsanlage wesentlich verändert. Allein aufgrund eines solchen weiten Verständnisses des Begriffs der „baulichen Veränderungen“ kann das durch § 20 WEG geschaffene Schutzkonzept – die Vorbefassung der Wohnungseigentümerversammlung – gewahrt werden.

VDIV Aktuell Autorin - Franziska Bordt
Bordt, Franziska

Selbstständige Rechtsanwältin, 
Vorstandsmitglied, Referentin Recht 
VDIV Bayern