11.08.2025 Ausgabe: 5/2025

Schadstoffalarm!?

Was die neue Gefahrstoffverordnung bei Asbestverdacht in Gebäuden mit Baubeginn vor dem 31. Oktober 1993 vorschreibt.

Mit Inkrafttreten der novellierten Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) am 5. Dezember 2024 ergeben sich für Immobilienverwaltungen und Eigentümer neue, weitreichende Pflichten. Dabei geht es insbesondere um den Umgang mit krebserregenden Gefahrstoffen in Bestandsgebäuden, etwa Asbest, das bis 1993 in vielen Bauprodukten verwendet wurde, z. B. in Putzen, Spachtel-massen, Fliesenklebern und auf Dächern etc.

Während Schadstoffe in Gebäuden bisher oft unbemerkt schlummern, verlangt die neue Gefahrstoffverordnung nun deutlich mehr Sorgfalt, Transparenz und Verantwortung. Wer Gebäude verwaltet, verkauft oder modernisieren lässt, muss potenzielle Gefährdungen frühzeitig erkennen, dokumentieren und angemessene Schutzmaßnahmen einleiten – insbesondere bei Objekten, die vor dem 31. Oktober 1993 erbaut wurden, also bevor die Herstellung, Inverkehrbringung und Verwendung von Asbest und asbesthaltigen Produkten in Deutschland verboten wurde. Da asbestfreie und asbesthaltige Materialien optisch nicht zu unterscheiden sind, erfordert der Nachweis, dass keine krebserregenden Schadstoffe enthalten sind, weitergehende Untersuchungen:

Die historische Erkundung umfasst die Sichtung von Unterlagen wie Bauplänen, Rechnungen und Fotodokumentationen zu Umbau-, Modernisierungs- oder Renovierungsmaßnahmen, aus denen hervorgeht, dass das Gebäude bzw. der betreffende Raum oder das zu bearbeitende Bauteil nach dem 31. Oktober 1993 vollständig entkernt oder die potenziell asbesthaltigen Materialien vollständig entfernt wurden.

Im Rahmen der technischen Erkundung werden Materialien beprobt und analysiert. Der Unternehmer hat die vom Veranlasser zur Verfügung gestellten Informationen auf Plausibilität zu prüfen (§ 6 Abs. 2a GefStoffV). Werden im Rahmen dieser Ermittlungspflicht weitere Erkundungsschritte unternommen, die Kenntnisse erfordern, über die das Unternehmen selbst nicht verfügt, ist externer Sachverstand hinzuzuziehen. Dies kann insbesondere bei einer umfangreichen technischen Erkundung erforderlich sein. Liegen keine gesicherten Erkenntnisse über die Asbestfreiheit der zu bearbeitenden Materialien vor, muss in Gebäuden, die vor dem 31. Oktober 1993 errichtet wurden, davon ausgegangen werden, dass sie Schadstoffe enthalten. Für Immobilienverwaltungen oder Eigentümer resultieren hieraus einige Aufgaben:

Informations- und Mitwirkungspflichten

In § 5a der verabschiedeten Gefahrstoffverordnung wurden die Informationspflichten deutlich erweitert. Immobilienverwaltungen und Eigentümer müssen vor Beginn von Bau-, Instandhaltungs- oder Rückbauarbeiten alle verfügbaren Informationen über das Vorhandensein gefährlicher Stoffe wie Asbest bereitstellen. Dazu gehören:

  • das Baujahr des Gebäudes (entscheidend für Asbestverdacht),
  • Angaben zu bekannten oder vermuteten Belastungen, z. B. Asbest, Polychlorierte Biphenyle (PCB), Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK),
  • vorhandene Gutachten, Bauakten oder frühere Sanierungen.

Diese Informationen dienen den ausführenden Betrieben und ihren Mitarbeitern, um geeignete Maßnahmen zu ihrem Schutz ergreifen zu können. Besonders bei vor dem 31. Oktober 1993 errichteten Gebäuden besteht ein begründeter Anfangsverdacht. Wird dieser nicht beachtet, drohen zivil- und strafrechtliche Konsequenzen im Falle von Gesundheitsschäden.

Gefährdungsbeurteilung vor Baumaßnahmen

Nach § 6 GefStoffV ist bei den erwähnten älteren Gebäuden vor baulichen Eingriffen eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen, um die Art und das Ausmaß möglicher Gefahren durch Schadstoffe zu ermitteln. Dabei sind nicht nur sichtbare Materialien wie Asbest-zementplatten (Eternit) zu prüfen, sondern auch verdeckte potenzielle Quellen wie Putze, Spachtelmassen oder Fliesenkleber (PSF-Produkte).

Auf Basis der Gefährdungsbeurteilung können Handwerksbetriebe entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen für ihre Mitarbeiter planen, ohne die keine Tätigkeiten aufgenommen werden dürfen. Die Verantwortung für die Bereitstellung notwendiger Informationen liegt bei den Immobilienverwaltungen oder den Eigentümern.

Wenn ausführende Unternehmen nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügen, ist externer Sachverstand von Ingenieurbüros oder Laboren hinzuzuziehen, und die Ergebnisse sind zu dokumentieren. Unterbleibt dies, drohen erhebliche Haftungsrisiken.

Risikobewertung nach dem Ampel-Modell

Ein zentrales Element der neuen Regelung ist das sogenannte Ampel-Modell, das den Umgang mit krebserregenden Gefahrstoffen wie Asbest in drei Risikostufen wie folgt einteilt:

Grün, geringes Risiko:

  • Mögliche Tätigkeiten: Sichtprüfung, Arbeiten ohne Eingriff ins Material, z. B. Reinigung, Abdeckung intakter Materialien
  • Gefährdungspotenzial: keine bis minimale Faser freisetzung, z. B. bei unbeschädigtem Material
  • Maßnahmen: einfacher Schutz wie Persönliche Schutzausrüstung (PSA), Standard, z. B. Handschuhe, ggf. Ein-weg-Overall, keine speziellen technischen Schutzmaßnahmen erforderlich.

Gelb, mittleres Risiko:

  • Mögliche Tätigkeiten: Bohren, Schleifen oder Durchstoßen von potenziell asbesthaltigen Bereichen, z. B. Wände, Decken
  • Gefährdungspotenzial: begrenzte Faser-frei setzung möglich
  • Maßnahmen: staubarme Verfahren, z. B. Nassbearbeitung, Absaugung mit HEPA-Filter, Atemschutz: mindestens FFP3-Maske, Einweisung oder Sachkunde nach Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 519 empfohlen.
  • Besonderheit: Tätigkeiten dürfen in bestimmten Fällen durch unterwiesenes Personal erfolgen, sofern die Maßnahmen ausreichen.

Rot, hohes Risiko:

  • Mögliche Tätigkeiten: Entfernung von Asbestprodukten, Abbrucharbeiten, Sanierung alter Spachtelmassen oder des Putzes
  • Gefährdungspotenzial: erhebliche Faserfreisetzung
  • Maßnahmen: nur durch zugelassene Fachfirmen mit behördlicher Anzeige der Maßnahme, Einhaltung der umfangreichen Anforderungen der TRGS 519 zwingend, vollständige PSA inkl. Atemschutz-gerät, Einhausung, Unterdruckhaltung, Entsorgung nach Vorschrift

Das Ampel-Modell hilft insbesondere Immobilienverwaltungen, Ingenieurbüros und Handwerkern, die richtige Risikobewertung vorzunehmen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Es ist Bestandteil der gesetzlichen Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz und der Gefahrstoffverordnung. Die Berufsgenossenschaften, insbesondere die BG BAU, stellen Leitfäden, Checklisten und Schulungsmaterialien zur Risikoeinstufung bereit, um rechtssicher und arbeitsschutzkonform vorzugehen.

Empfehlungen für die Praxis

Die überarbeitete Gefahrstoffverordnung erlegt Immobilienverwaltungen nicht nur neue Pflichten auf, sondern weist ihnen auch eine zentrale Rolle beim Gesundheitsschutz im Gebäudebestand zu. Das folgende Vorgehen empfiehlt sich

  • Bestandsaufnahme: potenzielle Schadstoffquellen im Gebäudebestand ermitteln, insbesondere bei Gebäuden, die vor dem 31. Oktober 1993 erbaut wurden.
  • Kommunikation: Sicherstellen, dass alle Beteiligten – Eigentümer, Mieter, Handwerker – über bekannte Belastungen und notwendige Schutzmaßnahmen informiert sind.
  • Schulung: Mitarbeiter und Dienstleister regelmäßig für die aktuellen Anforderungen im Umgang mit Gefahrstoffen sensibilisieren.
  • Dokumentation: Alle Prüfungen, Bewertungen und getroffenen Maßnahmen umfassend und nachvollziehbar erfassen und belegen. 

Die Novellierung der Gefahrstoffverordnung vereinfacht den Umgang mit Asbest in älteren Bestandsgebäuden, entlässt jedoch Immobilienmakler und -verwaltungen nicht aus der Verantwortung. Entscheidend ist es daher, die neuen Regelungen zu kennen und umzusetzen, um rechtlichen und gesundheitlichen Risiken vorzubeugen.

VDIV Aktuell Autor - Gotthard Grieseler
Grieseler, Gotthard

Geschäftsführer
grieseler gmbh
www.grieseler-gmbh.de

Schubert, Timo

Geschäftsführer
grieseler GmbH
www.grieseler-gmbh.de