08.12.2023 Ausgabe: 8/23

... und viele Fragen offen

Zur gemeinschaftlichen Eigenversorgung mit Strom in Kundenanlagen nach dem geplanten § 42b Energiewirtschaftsgesetz

Die Abgabe bzw. der Verkauf von Strom im räumlichen Zusammenhang einer Wohnanlage (auch Mieterstrom genannt) ist aufgrund hoher bürokratischer Hürden noch immer sehr aufwendig und wird von Immobilienverwaltungen bislang kaum umgesetzt. Im Folgenden wird die ge­lebte Praxis gemeinschaftlicher Eigenstromkonzepte mit kundeneigenen Energieerzeugungsanlagen, die mittels Summenmessung an ein öffentliches Energie­netz angeschlossen sind und gemäß § 3 Nr. 24a oder b Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) der Abgabe von Energie an Letztverbraucher dienen (Kundenanlagen, siehe Abb. 1), verglichen mit der von der Bundesregierung im Rahmen des Solarpaket I1 vorgelegten Regelung des § 42b EnWG.

Ziel der neuen Regelung

Das neue Modell nach § 42b EnWG zielt darauf ab, Strom aus solarer Strahlungsenergie ohne großen bürokratischen Aufwand von Vermietern oder einem Dritten für die Miet­parteien innerhalb eines Gebäudes bereitstellen zu können. Die Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen müssen sich dabei hinter demselben Netzverknüpfungspunkt befinden, d. h. es darf keine Netzdurchleitung erfolgen.

Bisher gelebte gemeinschaftliche Konzepte zur Nutzung von Strom aus Kundenanlagen sollen durch § 42b EnWG weder erschwert oder gar verhindert werden, versichern Politik und Verwaltung. In der Begründung des Gesetzes­entwurfs heißt es hierzu: „Die Gemeinschaftliche Gebäude­versorgung steht als eigenständiges Modell neben dem Mieterstrom gemäß § 42a EnWG.“

Im Falle der Lieferung von Strom über das öffentliche Netz gilt die Rechtslage bisher als eindeutig. Der Strom­liefernde wird rechtlich zum Energieversorger (EVU) und hat eine Vielzahl an Pflichten zu erfüllen, z. B. Anmeldung bei Übertragungsnetzbetreiber, Verteilnetz-betreiber, Bundesnetzagentur (BNetzA), Erfüllung von Vollstromlieferverträgen, Stromkennzeichnung, jährliche Strommengenmeldung an Übertragungsnetzbetreiber, Meldung des Mieterstromzuschlags an BNetzA, Mess-stellenbetrieb, Kundenmanagement, Rechnungsstellung, Stromsteuerbefreiungen etc. Diese Pflichten können von einem „normalen“ Anlagenbetreiber (Privatpersonen, Industrie- und Handwerksbetrieb, Wohnungseigen-tümergemeinschaften) über die Hausverwaltung meist nicht erfüllt werden und erfordern einen entsprechend versierten Dienstleister.

Das ist gelebte Praxis

Bei Verteilung von Strom, z. B. aus Photovoltaik (PV) vom Dach eines Gebäudes oder bei gemeinschaftlichem Einkauf aus dem öffentlichen Netz (Reststrombezug), innerhalb eines gebäudeeigenen Stromnetzes (Kundenanlage) herrscht bisher in der gelebten Praxis die rechtliche Auffassung, dass hierbei keine Stromlieferung vorliegt und die oben genannten Pflichten somit entfallen. Denn viele der rechtlich mit einer Stromlieferung verbundenen bürokratischen Pflichten sind für die Nutzung und Verteilung von selbst erzeugtem Strom in einer Kundenanlage aus versorgungstechnischer Sicht nicht zu rechtfertigen und damit entbehrlich. Die Stromerzeugung und -nutzung vor Ort könnte betrach­tet werden wie eine Energiesparmaßnahme, z. B. die Investition in einen sparsameren Kühlschrank oder in LED-Beleuchtung. Auch sie werden ja bislang nicht mit Auflagen, etwa der Installation von Messeinrichtungen, belegt.

Konzepte und Vertragsvereinbarungen, die die Kosten einer gemeinschaftlich betriebenen Solaranlage und/oder des gemeinschaftlich aus dem Netz bezogenen Reststroms, z. B. über die Hausgeldabrechnung, auf die gemessenen Verbräuche der Allgemein- und Wohnungsstromzähler umlegen, sind seit vielen Jahren gelebte Praxis. In einigen Vertragskonstellationen werden die Investitionskosten sowohl für PV- als auch für Kraft-Wärme-Kopplungs-(KWK) Anlagen in den Strompreis eingerechnet, ohne dafür eine gesetzliche Grundlage zu haben. Da die Strompreise stets deutlich unter denen der Stromlieferanten bzw. des Mieterstrommodells lagen, hat sich aufseiten der Mieter und Eigentümer nie jemand darüber beschwert.

Was § 42b EnWG regeln soll

Unter der Überschrift „Gemeinschaftliche Gebäude­versorgung“ räumt § 42b EnWG Letztverbrauchern die Möglichkeit ein, z. B. Solarstrom, der in, an oder auf demselben Gebäude produziert wird, zu nutzen, wenn 1. die Nutzung ohne Durchleitung durch ein Netz erfolgt, 2. die Strombezugsmengen des Letztverbrauchers viertel­stündlich gemessen werden (vgl. Abb. 2) und 3. er einen Gebäudestromnutzungsvertrag mit dem Betreiber der Gebäudestromanlage abschließt, in dem Betrieb, Erhaltung und Wartung der Gebäudestromanlage und der Auftei­lungsschlüssel des Stroms aus der Anlage geregelt werden. Letzterer muss dem Netzbetreiber mitgeteilt werden.

Darüber hinaus sind Regelungen über die entgeltliche Gegenleistung für die Nutzung der elektri­schen Energie durch den Letztverbraucher und deren etwaiger Preis in Cent pro Kilowattstun­de zu treffen. Die freie Lieferantenwahl darf in dem Gebäudestrom-nutzungsvertrag nicht eingeschränkt werden.

Die Definition (§ 3 Nr. 20a EnWG) des in § 42b EnWG neu eingeführten Begriffs der Gebäude-stromanlage – „eine Erzeugungsanlage, die aus solarer Strahlungsenergie elektrische Energie erzeugt, die ganz oder teilweise im Rahmen eines Gebäudestromnutzungs-vertrags durch die teilnehmenden Letztverbraucher gemäß § 42b Absatz 1 verbraucht wird“ – begrenzt die Regelung auf Solarstrom.

Nach § 42b Abs. 6 EnWG kann der Gebäudestromnut-zungsvertrag durch einen Beschluss der Wohnungs-eigentümergemeinschaft ersetzt werden, wenn diese die Gebäudestromanlage betreibt.

Hier bleiben Fragen offen.

Welchen praktischen Fall will § 42b EnWG genau ent­bürokratisieren? Obgleich Politik und Verwaltung mit der Regelung bisher gelebte gemeinschaftliche Konzepte weder erschweren noch verhindern wollen, bleibt abzu­warten, ob die Rechtsprechung das künftig auch bestätigt. Die Nutzung virtueller Summenzähler wurde bereits mit § 20 Abs. 1d S. 2 EnWG ermöglicht – werden sie durch die neue Regelung nun verbindlich vorgeschrieben, und wenn ja, für welche Konstellationen?

Kann die Regelung aus § 42b EnWG unabhängig von einem EVU/Dienstleister, z. B. durch eine Hausverwaltung, umgesetzt werden? Wer nimmt die Saldierung der Zähler vor, und wer sammelt die Daten der viertelstündlichen Messungen?

Nach § 42b (2) 2. ist im Gebäudestromnutzungsvertrag eine Vereinbarung über die entgeltliche Gegenleistung für die Nutzung der elektrischen Energie der teilnehmenden Letztverbraucher und deren etwaige Höhe in Cent pro Kilowattstunde zu treffen. Bedeutet dies, dass auch Investi­tionskosten für die PV-Anlage über diesen Vertrag umlegbar sind, und wenn ja, über welchen Abschreibungszeitraum?

Lässt sich das Modell nach § 42b EnWG in Wohnungs-eigentümergemeinschaften aufgrund der beschränkten Vertragslaufzeit (zwei Jahre) umsetzen? Ist das daraus entstehende wirtschaftliche Risiko für Eigentümergemein­schaften tragbar?

Was genau meint § 42b (3) mit „Die freie Lieferanten­wahl darf in dem Gebäudestromnutzungsvertrag nicht eingeschränkt werden?“ – Ist damit ein gemeinsamer Reststrombezug über den Gebäudestromnutzungsvertrag ausgeschlossen?

Wie kann der Beschluss der Eigentümergemeinschaft gemäß § 42b (6) einen Vertrag zwischen ihr als Be­treiberin der Gebäudestromanlage und Mietern als Letztverbrauchern ersetzen? Wie sind die Mieter dabei einzubinden?

Lässt § 42b EnWG mit den aus ihm resultierenden Vor­teilen (weniger Pflichten aus der Stromlieferung) und den Nachteilen (max. zwei Jahre Bindungsfrist) Raum für eine Entscheidung gegen das Gebäudestrommodell?

Wohin mit den Investitionskosten?

Die Betriebskostenverordnung sieht bisher im Katalog von § 2 die Umlagefähigkeit von Stromkosten (insbesondere für den Wohnungsstrom) bei gemeinschaftlicher Stromver­sorgung nicht ausdrücklich vor. Die Wohnungsstromkosten sind nur von Mietern zu tragen, wenn dies ausdrücklich im Mietvertrag vereinbart ist. Bisher sieht die Betriebskostenverordnung keine Umlage der Investitions- oder Instandhaltungskosten von Strom-erzeugungsanlagen innerhalb einer Kundenanlage vor. Derzeit können Vermieter die Investitionskosten für PV- oder KWK-Anlagen gesetzeskonform nur über eine Mieterhöhung nach den §§ 555b, 559 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) umlegen. Mietern würde dadurch der gemeinschaftlich von der Wohnungseigentümergemein-schaft oder einem Wohnungsunternehmen erzeugte Strom zu einem sehr reduzierten Preis berechnet werden müssen. Für PV-Anlagen fallen dann ausschließlich die Kosten für Reinigung und Versicherung als Betriebskosten an, die man in den Strompreis für Mieter einrechnen könnte. Damit würde der Strom extrem günstig, bei einer Anlage mit 20 Kilowatt Peak (kWp) läge der Strompreis bei ca. zwei bis drei Cent pro Kilowattstunde (kWh), was falsche Anreize für den Stromverbrauch setzen würde. Zudem wird die Belastung der Mieter mit den Stromgestehungskosten im Wesentlichen nicht mehr vom Stromverbrauch, sondern über die Mieterhöhung von der Größe der Wohnung abhängig sein. Mieter mit hohem Stromverbrauch und kleinen Wohnungen werden so von Mietern mit geringem Stromverbrauch und großen Wohnungen „subventioniert“. Dieses Gerechtigkeitsproblem und zudem das der falschen Anreize durch den sehr günstigen Strompreis besteht auch bei selbst nutzenden Eigentümern. Die theoretische Möglichkeit der „Umlage“ von Stromerzeugungskosten über eine Mieterhöhung findet auch in der Praxis soweit uns bekannt bislang keine Anwendung.

Kann die Betriebskostenverordnung helfen?

Eine Lösung besteht darin, in der Betriebskostenver­ordnung eine gesetzliche Möglichkeit zu schaffen, die Investitions- und Reparaturkosten für die gemeinschaftliche Eigenstromerzeugungsanlage einer Eigentümergemeinschaft in den Strompreis einzurechnen und über die Betriebskosten abrechnen zu können. Beim Strom- oder Wärme-Contracting werden diese Kosten auch vom Contractor eingepreist, genau wie ganz selbstverständlich auch bei Nah- oder Fernwärmelieferungen, sodass sie als Betriebskosten umlegbar sind. Der Unterschied liegt allein darin, dass die Investitions- und Reparaturkosten nicht der Eigen­tümergemeinschaft entstehen, sondern einem externen Dritten, der sie einpreist und in Rechnung stellt, sodass sich die Umlagefähigkeit als Betriebskosten ergibt.

Contracting-Modelle sind aber für Mieter und selbst nutzende Eigentümer deutlich teurer, als wenn sie selbst in eine Anlage investieren und sie betreiben, zumal die Eigentümergemeinschaft ohne Gewinnerzielungsabsicht allein die tatsächlich anfallenden Kosten umlegt, womit die Gewinnmarge eines Contractors oder externen Lieferanten entfällt.

Sinnvoll wäre es z. B., die Investitionskosten für eine PV-Anlage über 20 Jahre verteilt in die Stromkosten auf­nehmen zu können, bei KWK-Anlagen wegen der in der Regel kürzeren Nutzungsdauer für einen entsprechend kürzeren Zeitraum, dafür aber auch die Kosten des Vollwartungsvertrags. 

Die Gefahr, dass z. B. eine Eigentümergemeinschaft Mietern zu hohe Strompreise in Rechnung stellt, sehen wir nicht. Es geht nur um die Verteilung der tatsächlich entstandenen Kosten für Erzeugungsanlagen innerhalb der Kundenanlage und den Bezug von Reststrom.

Das grundlegende Recht für jeden Endverbraucher/ Mieter, den Stromanbieter frei zu wählen, bleibt davon unberührt und hält die Eigentümergemeinschaft davon ab, unwirtschaftlich zu handeln und zu hohe Kosten zu verursachen. In Kundenanlagen wäre aus Sicht der Autoren somit eine Regelung über die Verteilung von Strom und dessen Kosten über die Betriebskostenverordnung eine einfache und transparente Lösung.


Redaktioneller Hinweis

Bei vermieteten Wohnungen ist es derzeit empfehlenswert, die Anschaffung und den Betrieb der PV-Anlage über einen Drittanbieter zu organisieren, da dann bereits jetzt die Kosten betriebskostenverordnungskonform vollständig umgelegt werden können.

Sprenger, Fabian

Vauban Hausverwaltung GmbH& Co. KG

Lange, Dr. Jörg

Wissenschaftlicher Referent, Klimaschutz im Bundestag e.V.