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Die kommende Elementarschadenversicherung zwischen Pflicht und Kür
Extremwetterereignisse häufen sich merkbar: Allein im letzten Jahr verursachten Starkregen, Überschwemmungen, Stürme und Hagel in Deutschland versicherte Schäden in Höhe von 5,7 Mrd. Euro (Gesamtverband der Versicherungswirtschaft, GDV). Der Klimawandel verändert die Risikolandkarte mit spürbaren Folgen, auch für Eigentümer und Immobilienverwalter. Bislang übernehmen Bund und Länder in vielen Fällen die finanziellen Folgen solcher Naturkatastrophen. Nach dem Hochwasser im Sommer 2021 betrugen die öffentlichen Hilfen etwa 30 Mrd. Euro. Angesichts wachsender Staatsausgaben ist dies auf Dauer nicht tragbar.
Vor diesem Hintergrund wird eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden diskutiert. Ziel ist es, die bislang häufigen Deckungslücken in Wohngebäudeversicherungen zu schließen und die öffentliche Hand zu entlasten. In der vergangenen Legislaturperiode kam es zu keiner Einigung, sodass nun die neue Bundesregierung sich dieses Themas wieder annimmt.
Zuletzt rückte die Ahrtal-Flut 2021 mit verheerenden Zerstörungen und über 180 Todesopfern die Risiken extremer Wetterereignisse in den Fokus. Die Forderung nach einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung wurde laut, um künftige Schäden besser abzusichern. 2024 wurde im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen, eine Pflich - versicherung weiter zu verfolgen, die öffentliche Anhörung im Bundestag im darauffolgenden Juni verdeutlichte jedoch die Unterschiede zwischen den Fraktionen: SPD und Grüne befürworteten eine Versicherungspflicht als gemeinsam getragene Risikovorsorge, während die FDP auf individuelle Verantwortung setzte. Die CDU/CSU schlug einen Mittelweg vor: eine Standardversicherung mit Abwahlmöglichkeit (Opt-out-Modell).
Im Koalitionsvertrag formulierte die neue Bundesregierung nun ihre Pläne für eine Elementarschadenversicherung. Danach sollen künftig alle Neuverträge, unabhängig davon, ob für Neubauten oder Bestandsgebäude, nur noch in Kombination mit einer Elementarschadenversicherung abgeschlossen werden. Bestehende Policen sollen zu einem festgelegten Stichtag ebenfalls um diesen Schutz erweitert werden. Die 2024 vorgeschlagene Opt-out-Regelung wird erneut geprüft. Eine staatliche Rückversicherung soll helfen, Kostenrisiken für Versicherer und Prämienbelastungen für Eigentümer zu begrenzen, während Mieter durch stärker regulierte Versicherungsbedingungen entlastet werden sollen.
Die Ziele einer reformierten und verpflichtenden Elementarschadenversicherung sind klar: Risiken verteilen, Versicherungsdichte erhöhen und staatliche Hilfen begrenzen. Laut GDV sind derzeit nur 54 Prozent der Gebäude in Deutschland gegen Naturgefahren versichert, wodurch jedes zweite Gebäude ungeschützt bleibt, oft auch aufgrund mangelnder Aufklärung und Unwissenheit der Eigentümer. Bei professionell verwalteten Wohnungs-eigentümergemeinschaften liegt die Versicherungsquote höher: Der VDIV-Verwalter-Monitor 2023 verdeutlicht zudem, dass die Elementarschadenversicherung in der Immobilienverwaltung an Bedeutung gewinnt. Dabei zeigen sich je nach Region unterschiedliche Entwicklungen und Herangehensweisen. Drei Optionen werden geprüft.
Die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung mag auf den ersten Blick wie eine logische Antwort auf zunehmende Klimarisiken wirken, schränkt jedoch die Vertragsfreiheit und Eigenverantwortung der Versicherungsnehmer stark ein. Eine solche Pflichtbindun bleibt, unabhängig von steigenden Beiträgen und Prämien, dauerhaft bestehen und ist insbesondere in risikoreichen Regionen oder wirtschaftlich schwächeren Haushalten eine extreme Belastung.
Auch die Verhältnismäßigkeit einer solchen Pflichtve - sicherung steht in der Kritik, denn die Versicherungsquoten sind teilweise bereits hoch, insbesondere bei professionell verwalteten Wohnungseigentümergemeinschaften. Eine erzwungene Erweiterung auf alle Bestände würde die Kosten erheblich erhöhen, was sowohl Eigentümergemeinschaften als auch Mieter über die Betriebskosten belastet.
Nicht zuletzt bleibt das Argument der Systemeffizienz Ohne differenzierte Risikoprüfung könnten Fehlanreize entstehen, etwa in Hochrisikogebieten, in denen sich heute kein Marktpreis mehr kalkulieren lässt. Statt eines generellen Zwangs plädieren viele Fachleute deshalb für gezielte Prävention, bessere Risikokommunikation und resilientere Bauvorgaben als langfristig tragfähige Strategie.
Eine Alternative zur Pflichtversicherung könnte die gesetzlich festgeschriebene Angebotspflicht einer Elementarversicherung für Neu- und Bestandskunden sein. Damit würde die Informationslücke, die bislang oft dazu führt, dass Risiken unterschätzt werden, zumindest teilweise geschlossen. Dennoch, eine Ablehnung der Pflichtversicherung bedeutet auch, dass im Extremfall nicht mehr mit staatlicher Unterstützung zu rechnen ist. Eigentümer wären in diesem Fall vollständig auf sich gestellt. Zudem gilt: Wo Risiken steigen, Policen teurer werden und Prävention oft nicht ausreicht, könnte der bewusste Verzicht auf Versicherungsschutz gesellschaftlich und wirtschaftlich erhebliche Folgekosten erzeugen, und das System im Ernstfall an seine Grenzen bringen.
Das Opt-out-Modell schlägt einen Mittelweg zwischen Verpflichtung und Freiwilligkeit vor, bei dem Eigentümer eine Elementarschadenabsicherung standardmäßig erhalten, diese aber aktiv ablehnen können. Dieses Modell entspricht dem Wunsch vieler Eigentümer nach individueller Wahl und ist zugleich mit den aktuellen politischen Leitlinien vereinbar.
Bei der Umsetzung des Opt-out-Konzepts muss jedoch bedacht werden, dass es insbesondere Immobilieneigentümer in stark von Elementarschäden betroffenen Regionen sind, die aufgrund zu erwartender Prämiensteigerungen von diesem Modell Gebrauch machen werden. Dies führt dazu, dass die Absicherungslücke in besonders gefährdeten Gebieten nicht geschlossen wird.
Im schlimmsten Fall bliebe die öffentliche Hand weiter in der Verantwortung für die Schadensbeseitigung. Daher werden Forderungen laut, dass mit einem Opt-out auch ein Verzicht auf staatliche Hilfen verknüpft wird.
Die Einführung einer generellen Pflichtversicherun würde eine bundesweite flächendec ende Absicherung gegen Elementarschäden sicherstellen und eine deutliche Entlastung der staatlichen Haushalte bedeuten.
Vor allem Bundesländer wie Baden-Württemberg sprechen sich dafür aus, da sie sich durch ihren eigenen hohen Anteil an der Schadensbewältigung überproportional belastet sehen und eine bundeseinheitliche Lösung fordern. Jedoch beliefen sich in 2024 allein dort die versicherten Unwetterschäden auf 1,601 Mrd. Euro. Zusammen mit Bayern entfiel damit mehr als die Hälfte der bundesweiten Schadenlast auf diese beiden Länder. Eine pauschale Pflichtversicherung würde somit zu einem Ungleichgewicht führen, da unterschiedliche Gefährdungslagen und wirtschaftliche Voraussetzungen unberücksichtigt blieben. Ohne ergänzende Maßnahmen wie Härtefallregelungen oder staatliche Zuschüsse würden einkommensschwache Eigentümer und Mieter besonders belastet.
Ein Blick auf die Immobilienverwaltungen in Deutschland zeigt, dass das Thema Elementarschutz für Wohnungseigentümergemeinschaften insbesondere in den südlichen Regionen bereits an Bedeutung gewonnen hat, während in den westlichen Bundesländern eine stärkere Absicherung noch angestrebt wird.
In Bezug auf die unterschiedlichen Umsetzungsmöglichkeiten einer Pflichtversicherung zeigt sich eine annähernd gleiche Zustimmung für das Opt-in- (aktive Zustimmung) und Opt-out-Modell (bewusste Ablehnung). Die Branche scheint einen Mittelweg zu favorisieren, auch wenn regionale Unterschiede hier spürbar sind. Generell wird eine verpflichtende Versicherung von der Mehrheit der Befragten als herausfordernd wahrgenommen. Über 80 Prozent rechnen mit einem Mehraufwand in der Verwaltung sowie steigenden Kosten für Eigentümer und Mieter.
Zusammenfassend zeigt sich die Notwendigkeit, bei der Einführung der Pflichtversicherung zwischen Solidarität, individueller Entscheidungsfreiheit und sozialer Verträglichkeit abzuwägen. Eine erfolgreiche Umsetzung muss neben klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen auch eine intensive Kommunikation und gezielte Unterstützung für Verwalter und Eigentümer sicherstellen.
Der Blick ins europäische Ausland zeigt, dass Deutschland mit seiner Debatte um eine verpflichtende Elementarschadenversicherung keineswegs alleine steht. In Ländern wie Frankreich, Spanien und der Schweiz existieren bereits Modelle für verpflichtende Systeme, die eine flächendeckende Absicherung gegen Naturgefahren gewährleisten sollen.
In Frankreich existiert seit 1982 ein solidarisches Pflichtve - sicherungssystem, das Elementarschäden abdeckt. Dabei werden alle Versicherten gegenseitig quersubventioniert, wodurch ein vergleichsweiser hoher Versicherungsschutz gewährleistet ist. Fakt ist jedoch, dass das französische System seit Jahren defizitär ist: Allein in 2022 lag das Defizit bei 1,3 rd. Euro. Aber warum?
Pflichtsysteme wirken sich auf Siedlungsströme und Wohnortwahl aus, so werden in unserem Nachbarland hochwassergefährdete Gebiete deutlich häufiger besiedelt als hier. Das französische Pflichtsystem sieht vor, dass der Staat bei Nichtdeckung des Schadens einspringt und die „verdeckten“ Kosten übernimmt. Eine wichtige Erkenntnis für Deutschland, wo eine solche „verdeckte“ staatliche Unterstützung bisher vermieden werden soll.
Das Opt-out-Modell ist ein realistischer Ansatz. Es verbindet einen umfassenden Absicherungsimpuls mit individueller Entscheidungsfreiheit und orientiert sich an bestehenden Strukturen. Dieses Modell muss jedoch auch durch flankie ende soziale und strukturelle Maßnahmen ergänzt werden, um einen solidarischen und zugleich praxistauglichen Versicherungsschutz für Wohnungs-eigentümergemeinschaften sicherzustellen. Vor einer verpflichtenden Einführung insbesondere für Neuverträge müssen zentrale Fragestellungen geklärt werden. Dazu zählen der Umgang mit nicht versicherbaren Objekten, die soziale Ausgestaltung in hochrisikobehafteten Gebieten, klare Regelungen zu Leistungsgrenzen und -abstufungen sowie die Festlegung von Verantwortlichkeiten für den administrativen und finanziellen Aufwand bei der Anpassung von Bestandsverträgen. Für Bestandsgebäude sollte dabei ein ergänzender Elementarschaden-Schutz innerhalb der Wohngebäudeversicherung zum optionalen Abschluss bereitgestellt werden. Bei Ablehnung durch eine Gemeinschaft wäre dies durch die Verwaltung zu protokollieren – die Haftungsfrage damit geklärt. In der Abstimmung unterlegenen Eigentümern steht es dann frei, gegen die Gemeinschaft vorzugehen.
Sollte das Opt-out-Modell gesetzgeberische Vorgabe werden, sollten bei Nichtvorliegen oder Ablehnung einer Elementarschadenversicherung keine staatlichen Ausgleichs- oder Härtezahlungen erfolgen. Sollte die Versicherungswirtschaft nachweisen, dass die eingenommenen Beiträge die Kosten nicht decken, so ist eine Beteiligung von Bund und Ländern hingegen an einem Auszahlungsfonds zu prüfen.
Die Debatte um eine verpflichtende Elementarschadenversicherung ist ein Prüfstein für den Umgang mit wachsenden Klimarisiken. Klar ist: Der bisherige freiwillige Versicherungsschutz reicht nicht mehr aus, um Bürger und Staat vor den finanziellen Folgen extremer Wetterereignisse zu schützen. Doch eine Pflichtversicherun allein greift zu kurz. Ohne flankie ende Maßnahmen wie baurechtliche Vorgaben, gezielte Prävention und eine sozial ausgewogene Ausgestaltung drohen Fehlanreize und neue soziale Ungerechtigkeiten – wie der Blick ins europäische Ausland zeigt. Deutschland braucht kein Pflichtsystem um jeden Preis, sondern eine tragfähige, differenzierte Lösung für eine solidarische und nachhaltige Risikovorsorge.
Geschäftsführer
Verband der Immobilienverwalter Deutschland e. V.