04.06.2024 Ausgabe: 4/24

WEG-Recht: Der Verwalter ist dafür verantwortlich, Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum wie ein Bauherr zu überwachen.

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(BGH, Urteil von 26.1.2024 - Az. V ZR 162/22)

Das Thema

Erbringt der Werkunternehmer im Rahmen eines Bauvorhabens am gemeinschaftlichen Eigentum seine Leistung mangelhaft und entsteht ein von ihm durch Nacherfüllung nicht mehr zu erlangender Schaden, stellt sich im Verhältnis zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und dem Verwalter die Frage, wer den Werkunternehmer in welchem Umfang hätte überwachen müssen, wer im Ergebnis für den Schaden aufzukommen hat. Mit nachstehender Entscheidung beantwortet der Bundesgerichtshof (BGH) die Frage und bürdet dem Verwalter einen großen Pflichtenkreis auf, was erhebliche Bedeutung für die Praxis hat: So ist es nicht nur die Pflicht des Verwalters, Erhaltungsmaß­nahmen am Gemeinschaftseigentum wie ein Bauherr zu überwachen. Des Weiteren hat er insbesondere bei der Bewirkung von Zahlungen sorgfältig und wie ein Bau­herr zu prüfen, ob bestimmte Leistungen erbracht und Abschlags- oder Schlusszahlungen gerechtfertigt sind. Verletzt er diese, haftet der Verwalter der Gemeinschaft für die durch die pflichtwidrigen Abschlagszahlungen entstandenen Schäden neben dem Werkunternehmer, wenn eine vertragsgerechte Leistung nicht mehr im Wege der (Nach-)Erfüllung durch den Werkunternehmer herbeigeführt werden kann.

Der Fall

Die klagende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer macht Schadensersatzansprüche gegen ihren Verwalter aufgrund der pflichtwidrigen Auszahlung eines Betrages in Höhe von 104.500 Euro an den beauftragten Werk­unternehmer im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben geltend, hilfsweise Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche gegen den Werkunternehmer.

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beschloss und vergab im Juli 2019 die Erneuerung der Dachein-deckung mit einem Gesamtvolumen von 116.497,85 Euro brutto. Der beauftragte Werkunternehmer stellte daraufhin eine Abschlagsrechnung für Material in Höhe von 61.872 Euro. Der Verwalter zahlte im Oktober 2019 aus Mitteln der Gemeinschaft zunächst einen – auf fünf Teilzahlungen aufgeteilten – Betrag in Höhe von 70.000 Euro sowie im November 2019 einen weiteren – auf sechs Teilzahlungen aufgeteilten – Betrag in Höhe von 34.500 Euro, Letzteren ohne dass eine Rechnung gestellt wurde. Der Werkunternehmer stellte seine Arbeiten bei einem Baufortschritt von etwa 85 bis 90 Prozent ein; ein von der Klägerin in Auftrag gegebenes Gutachten zeigt auf, dass die am Dach erbrachten Arbeiten derart mangel­haft sind, dass zur Ausbesserung und Beseitigung der Mängel ein vollständiger Abriss der erbrachten Arbeiten notwendig ist.

In erster Instanz hat die Klägerin obsiegt. Die das amtsgerichtliche Urteil aufhebende zweitinstanzliche Entscheidung hat keinen Bestand; die Revision hat Erfolg.

Der Klägerin steht ein Schadenersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit dem Verwaltervertrag aufgrund der pflichtwidrigen Abschlagszahlungen gegen den beklagten Verwalter zu. Denn es ist die Pflicht des Verwalters, soweit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Vertrag zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums mit einem Werkunternehmer geschlossen hat, die am gemeinschaftlichen Eigentum beauftragten Erhaltungsmaßnahmen wie ein Bauherr zu überwachen. Hierbei hat der Verwalter vor der Bewirkung von Zahlungen sorgfältig zu prüfen, ob Leistungen von dem Werkunternehmer mangelfrei erbracht wurden und die geltend gemachten Abschlags- oder Schlusszahlungen gerechtfertigt sind. Stellt der Verwalter Mängel fest, muss er diese berücksichtigen; tut er dies nicht, kann ein Schadenersatzanspruch der Gemeinschaft bestehen, dessen Höhe sich nach einem Vergleich der aufgrund des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen – schlechteren – Vermögenslage mit der hypothetischen Lage ohne dieses Ereignis bemisst. Der Schaden ist allerdings der Höhe nach nicht mit der durch die Abschlagszahlungen hervorgerufene Minderung des Gemeinschaftsvermögens gleichzusetzen. Vielmehr ist schadensmindernd zu berücksichtigen, inwieweit die Werkleistungen vertragsgerecht erbracht worden sind. Da es sich bei den Abschlagszahlungen um vorläufige Zahlungen handelt, deren Zweck es ist, die für den Werkunternehmer bestehenden Nachteile aufgrund von Vorfinanzierungen auszugleichen, und der Werkunternehmer daher im Rahmen der Schlussrechnung die bereits geleisteten Abschlagszahlungen zu berücksichtigen hat, entsteht ein Schaden aufgrund pflichtwidrig erbrachter Abschlagszahlungen nur in der Höhe, in der die Summe der Abschlagszahlungen die dem Werkunternehmer zustehende Gesamtvergütung überschreitet und das Vertragsverhältnis zwischen der Gemeinschaft und dem Werkunternehmer in ein Abrechnungsverhältnis übergangen ist. Denn solange die Gemeinschaft von dem Werkunternehmer noch eine vertragsgerechte Leistung im Wege der (Nach-)Erfüllung herbeiführen kann, steht dies einer Inanspruchnahme des Verwalters entgegen. Erst wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihre Ansprüche auf (Nach-)Erfüllung nicht mehr durchsetzen kann, haftet der Verwalter neben dem Werkunternehmer für die durch die pflichtwidrigen Abschlagszahlungen entstandenen Schäden, jedoch nur Zug um Zug gegen Abtretung der auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche der GdWE gegen den Werkunternehmer.


VERWALTERSTRATEGIE

Der BGH entwickelt mit vorstehendem Urteil seine Rechtsprechung zu dem Verantwortungskreis des Verwalters ist, Erhaltungsmaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum gleich einem Bauherrn zu überwachen. Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für die Praxis: Der Verwalter hat zukünftig nicht nur den beauftragten Werkunternehmer dahingehend zu überwachen, ob die Leistung mangelfrei, vollständig und auftragsgemäß erbracht wurde, sondern auch die gestellte Abschlags- und Schlusszahlung dem Grunde sowie der Höhe nach zu überprüfen. Unterlaufen ihm hierbei Fehler oder kommt er seinen Pflichten nicht nach, haftet der Verwalter neben dem Werkunternehmer.

Bordt, Franziska

Rechtsanwältin; Kanzlei Bub Memminger & Partner, München