11.08.2025 Ausgabe: 5/2025

Zwischen Gesetz, Verantwortung und Realität

Wenn die Eigentümerversammlung zur Grenzerfahrung wird – ein Praxisbericht aus Berlin.

Eigentümerversammlungen gehören zum Kerngeschäft jeder professionellen Immobilienverwaltung. Sie sind Ort der Beschlussfassung, Mitwirkung und – im besten Fall – vertrauensvoller Zusammenarbeit. Doch manchmal zeigen sie auch die Grenzen der Verwalterrolle auf. Was passiert, wenn eine Eigentümergemeinschaft nicht bereit ist, gesetzliche Rahmenbedingungen oder sachgerechte Verwaltungsempfehlungen zu akzeptieren? Ein Erfahrungsbericht aus Berlin-Prenzlauer Berg bietet einen eindrucksvollen Einblick.

Harmonischer Auftakt – einstimmige Beschlüsse zu Beginn

Die Eigentümerversammlung einer Wohnanlage mit 35 Einheiten begann vielversprechend: Sowohl die Jahresabrechnung als auch der Wirtschaftsplan wurden einstimmig beschlossen. Ein routinierter Start, der hoffen ließ, dass auch die weiteren Tagesordnungspunkte konstruktiv behandelt würden. Doch bereits beim nächsten Punkt zeigte sich, dass Einigkeit nicht selbstverständlich ist, selbst dann nicht, wenn ein Thema im Vorjahr bereits beschlossen und die Maßnahme erfolgreich umgesetzt wurde.

Fensterwartung: beschlossen, durchgeführt und doch vergessen.

Im Jahr zuvor hatte die Gemeinschaft beschlossen, sämtliche Fenster der Wohnanlage kontrollieren und warten zu lassen. Kleinere Reparaturen sollten direkt ausgeführt werden, eine Einschätzung zum Zustand und etwaigem Sanierungsbedarf, insbesondere zur Notwendigkeit eines neuen Anstrichs, war Teil des Auftrags.

Die beauftragte Fachfirma führte die Maßnahme durch, und als Verwalterin konnte ich zusätzlich einen Preisnachlass von über 20 Prozent aushandeln – ein Erfolg im Sinne wirtschaftlichen Handelns für die Gemeinschaft. In der Versammlung aber zeigten sich die Eigentümer plötzlich irritiert:

  • Man könne sich an kein Angebot erinnern.
  • Der Beschluss war anders gewollt, als protokolliert.
  • Die Maßnahme sei zu teuer.
  • Ihre Fenster seien „völlig in Ordnung“.

Ein neuer Vorschlag, notwendige Folgearbeiten (Malerarbeiten) auf Stundenbasis kalkulieren zu lassen, wurde ebenfalls kritisiert und abgelehnt. Das Resultat: Der Tagesordnungspunkt wurde zurückgestellt. Die Eigen­tümer wollen nun selbst beurteilen, ob überhaupt ein Instandsetzungsbedarf besteht und sich zu gegebener Zeit erneut und eigenständig dazu äußern.

Virtuelle Eigentümerversammlung: Fortschritt trifft auf Widerstand.

Mit dem Vorschlag, virtuelle Eigentümerversammlungen künftig als zusätzliche Form einzuführen, sollte ein zu­kunftsweisender Schritt getan werden, nicht zuletzt, um spontane Beschlussfassungen zu ermöglichen und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Der entsprechende Musterbeschluss war professionell vorbereitet und basierte auf einer Handlungsempfehlung des VDIV Deutschland. Anstatt aber zuzustimmen, hagelte es Bedenken und Änderungswünsche:

  • Einnahmen- und Ausgabenrechnungen müssten grundsätzlich in Präsenz beschlossen werden.
  • Der Vorschlag sei „nicht vollständig“ oder „falsch“.

Ein Alternativvorschlag vonseiten der Eigentümer blieb jedoch aus. Die Konsequenz: Auch dieser Beschluss wurde zurückgestellt. Kleine Anmerkung am Rande: Zu den Präsenzversammlungen kamen in den letzten Jahren maximal acht der 35 Eigentümer, teils auch noch zu zweit für eine Wohnung.

Ein Schnitt mit Konsequenz: Rückzug vom Verwaltungsangebot

Nach mehr als anderthalb Stunden intensiver, teils destruktiver Diskussionen ohne greifbares Ergebnis traf ich als Verwalterin eine klare Entscheidung: Ich zog mein Angebot zur weiteren Verwaltung der Gemeinschaft zurück und strich den Tagesordnungspunkt „Verwalterbestellung“.

Die Reaktion? Überraschung, Irritation und Unverständnis darüber, dass ein Verwalter „einfach so“ abspringt. Dies aber war eine bewusste Entscheidung: Gesetze und Rahmenbedingungen sind keine Verhandlungsmasse. Professionelle Verwaltung braucht ein Mindestmaß an Vertrauen und Kooperationsbereitschaft.

Balkonkraftwerk: Die privilegierte Maßnahme, die keiner wollte.

Diese Eigentümerversammlung abschließend sollte noch ein nachgereichter Punkt behandelt werden: Ein Mieter hatte den Antrag gestellt, ein Balkonkraftwerk zu installieren – eine Maßnahme, die mittlerweile gesetzlich privilegiert ist und in vielen anderen Objekten ohne Weiteres beschlossen wurde. Hier aber zeigte sich die Eigentümergemeinschaft ablehnend:

  • Man wolle keine sichtbaren Anlagen an der Fassade.
  • Auch die Eigentümerin der betroffenen Einheit widersprach, ohne jedoch den Beschlussvorschlag formal zurückzuziehen. 

Aus Rücksicht auf die verfahrene Situation habe ich den Antrag schließlich selbst zurückgezogen, mit dem Hinweis an die Eigentümerin, ihrem Mieter bitte selbst mitzuteilen, dass sie seine Maßnahme ablehne. Auch das wurde verweigert.

Fazit: die Souveränität des Verwalters

Diese Eigentümerversammlung war ein Lehrstück über die Realität mancher Verwaltungsmandate: Wenn gesetzliche Regelungen ignoriert, Beschlüsse ohne Fachgrundlage abgelehnt und professionelle Empfehlungen infrage gestellt werden, ist es legitim – ja sogar notwendig –, als Verwaltung klare Grenzen zu ziehen.

Wir stehen als Branche an einem Punkt, an dem wir uns nicht mehr jedem Konflikt aussetzen müssen. Die Qualität unserer Arbeit bemisst sich nicht nur an verwalteten Objekten, sondern auch an unserem Mut, Verantwortung zu übernehmen, manchmal auch durch den bewussten Rückzug.

Ich bin gespannt, welcher Kollege oder welche Kollegin sich dieser Eigentümergemeinschaft künftig annimmt. Und zu welchem Preis.

VDIV Aktuell Autorin - Sylvia Pruß
Pruss, Sylvia

Präsidentin
VDIV Deutschland