Der nachträgliche Einbau von Personenaufzügen ist eine Modernisierung nach § 22 Abs. 2 WEG. Wird die erforderliche (doppelt)qualifizierte Mehrheit verpasst, also ein Negativbeschluss verkündet, schauen Aufzugfreunde in die Röhre. In Cottbus hat ein 80jähriger gehbehinderter Wohnungseigentümer auf Duldung des Einbaus des Personenaufzugs durch ihn und auf seine Kosten geklagt. Vergeblich, wie der Bundesgerichtshof (BGH) jüngst entschied.
Mit Urteil vom 13. Januar 2017 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 96/16 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass ein einzelner Wohnungseigentümer in dem gemeinschaftlichen Treppenhaus grundsätzlich nur dann einen Personenaufzug auf eigene Kosten einbauen darf, wenn alle übrigen Wohnungseigentümer zustimmen. Dies gilt auch dann, wenn der bauwillige Wohnungseigentümer aufgrund einer Gehbehinderung und seine zu 100% schwerbehinderte Enkeltochter, die zeitweise in der Wohnung betreut wird, auf technische Transportmittel angewiesen seien, um die Wohnung zu erreichen.
Der Fall
Die Wohnanlage ein DDR-Plattenbau besteht aus 2 Wohnblöcken mit jeweils vier Hauseingängen. Der im Jahr 1936 geborene Kläger ist Eigentümer einer im 5. OG gelegenen Wohnung. Einen Aufzug gibt es nicht. In einer früheren Versammlung hatte der Kläger zunächst gemeinsam mit einigen anderen Mitstreitern, die denselben Hausteil bewohnen, den Einbau eines Personenaufzugs beantragt. Der Antrag fand keine Mehrheit und wurde abgelehnt. Dieser Negativbeschluss ist bestandskräftig.
Mit seiner nunmehr gegen alle übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Klage wollte der Kläger erreichen, dass die Beklagten den Einbau eines Personenaufzugs dulden müssen.
Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen, das Landgericht ihr teilweise stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und stellte das amtsgerichtliche Urteil wieder her, wies die Klage also ab.
Die Entscheidung
Der BGH verneint eine Duldungspflicht. Anspruchsgrundlage dürfte § 14 Nr. 3 WEG sein. Danach sind Einwirkungen auf die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und worum es sich bei dem Treppenhaus handelt das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, soweit sie auf einem nach § 14 Nr. 1 oder Nr. 2 WEG zulässigen Gebrauch beruhen. § 14 Nr. 1 WEG schreibt vor, dass von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in einer solchen Weise Gebrauch gemacht werden darf, dass keinem der anderen Eigentümer ein Nachteil erwächst, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus geht. Im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum ist § 14 Nr. 1 WEG im Zusammenhang mit § 22 Abs. 1 WEG zu lesen. Dessen Satz 1 sieht vor, dass eine Zustimmungspflicht besteht, wenn die bauliche Maßnahme die Nachteilsgrenze des § 14 Nr. 1 WEG überschreitet. Wird diese Nachteilsgrenze hingegen nicht überschritten, besteht keine Zustimmungspflicht, was sich § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG entnehmen lässt.
Bei der Auslegung des Rechtsbegriffs Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG ist eine verfassungskonforme Auslegung geboten. Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) ordnet an, dass Niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Daher müssen die Fachgerichte den Nachteilsbegriff im Lichte dieses Grundrechts auslegen. Bei der Abwägung der beteiligten Interessen ist von Bedeutung, dass mit einem Personenaufzug der im Vergleich mit anderen technischen Hilfsmitteln, beispielsweise einem Treppenlift oder einer Rollstuhlrampe verbundene Eingriff in die Gebäudesubstanz der schwerwiegendste.
Der BGH führt aus, dass der Einbau eines Personenaufzugs bei lebensnaher Betrachtung schon wegen der bauordnungs- und brandschutzrechtlichen Vorgaben einen massiven konstruktiven Eingriff in den Baukörper erfordere und den im Treppenhaus zur Verfügung stehenden Platz erheblich verenge. Zudem könne die private Verkehrssicherungspflicht im Außenverhältnis zu Dritten Haftungsrisiken mit sich bringen. Auch ein späterer Rückbau setze erneut erhebliche Eingriffe in den Baukörper voraus und sei bei lebensnaher Betrachtung eher als unrealistisch anzusehen. Treppenlifte und Rollstuhlrampen hingegen könnten als temporäre bauliche Maßnahmen leichter wieder zurückgebaut werden.
Ergänzend stellt der BGH darauf ab, dass beim Einbau von Personenaufzügen im Individualinteresse zugunsten einzelner Eigentümer ein Sondernutzungsrecht an dem benötigten Treppenhausteil eingeräumt werde, was einer Vereinbarung bedürfe, also der Zustimmung aller Wohnungseigentümer. Durch einen Beschluss könne ein solches (Gruppen-)Sondernutzungsrecht nicht wirksam begründet werden, da mangels einer Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung keine Beschlusskompetenz bestehe.
Fazit für den Verwalter
Bisher liegt nur die Pressemitteilung der Pressestelle des BGH vor (ebenfalls zu finden auf der Website » www.bundesgerichtshof.de zum angegebenen Aktenzeichen). Einzelheiten der Begründung lassen sich dieser nicht entnehmen.
Anspruchsgrundlage einer Duldungspflicht zwischen Wohnungseigentümern ist für gewöhnlich § 14 Nr. 3 WEG.
Zu der Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst einen Aufzug einbauen kann, wenn die Wohnungseigentümer dies mit (doppelt)qualifizierter Mehrheit beschlossen haben, verhält sich die Entscheidung laut Pressemitteilung nicht. Zumindest die Hilfserwägung des BGH scheint vor dem Hintergrund des § 22 Abs. 2 WEG zweifelhaft. Wird mit doppelt qualifizierter Mehrheit der Einbau eines Personenaufzugs im Treppenhaus beschlossen, ist der Beschluss nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig. Bei ordnungsmäßiger Auslegung des Beschlusses wird nämlich kein Sondernutzungsrecht an dem für den Aufzug benötigten Teil des Treppenhauses begründet, sondern lediglich eine bauliche Maßnahme gestattet. Anders gewendet: Würde ein Personenaufzug eines Tages wieder ausgebaut und beseitigt werden, bestünde am Treppenhaus weiterhin wie zuvor kein Sondernutzungsrecht, sondern der gemeinschaftliche Mitgebrauch aller Wohnungseigentümer ohne Sondernutzungsberechtigung.
Dr. Jan-Hendrik SchmidtW·I·R Breiholdt Nierhaus SchmidtRechtsanwälte PartmbB Hamburgwww.wir-breiholdt.de