WEG-Recht

BGH klärt, wer bei Zerstörung von Pflanzen auf Sondernutzungsflächen Schadensersatz verlangen kann

Die Vereinbarung von Sondernutzungsrechten in der Gemeinschaftsordnung ist gängige Praxis. Fraglich ist, wem der Schadensersatzanspruch zusteht und wer ihn geltend machen darf, wenn Sachbestandteile, die einem Sondernutzungsrecht unterliegen, substanziell beschädigt oder zerstört werden. Ist es der Sondernutzungsberechtigte oder eine Gruppe von Sondernutzungsberechtigten? Sind es alle Miteigentümer, weil Zuordnungsobjekt des Sondernutzungsrechts das gemeinschaftliche Eigentum ist? Handelt es sich um einen Fall der Ausübungsbefugnis des Verbandes nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG alte Fassung (a. F.) bzw. – seit dem 1.12.2020 – § 9a Abs. 2 WEG neue Fassung (n. F.)?

Mit Beschluss vom 26.11.2020 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZB 151/19 hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage zu befassen, ob Schadensersatzansprüche wegen eines Substanzschadens am gemeinschaftlichen Eigentum, an dem einem Sondereigentümer ein Sondernutzungsrecht eingeräumt ist (dort: Zerstörung von Pflanzen), dem Sondernutzungsberechtigten allein oder den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zustehen. Laut BGH richtet sich das in erster Linie nach dem in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Zuweisungsgehalt des Sondernutzungsrechts.

Der Fall

Klägerin und Beklagter sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft im Alten Land in Niedersachsen. Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen der Rodung einer Weide und eines Holunderstrauchs und stützt dies auf ein ihr zustehendes Sondernutzungsrecht an der betroffenen Grundstücksfläche. Das Amtsgericht Buxtehude hat die Klage durch Urteil abgewiesen. In der Rechtsmittelbelehrung wird statt der Berufung fälschlicherweise die sofortige Beschwerde bezeichnet. Die Klägerin hat beim Landgericht Stade (zuständig für allgemeine Zivilsachen aus Buxtehude) Berufung eingelegt, ferner beim Landgericht Lüneburg (zentrales Beschwerde- und Berufungsgericht in WEG-Sachen). Das Landgericht Stade hat die Berufung „vor dem Landgericht Stade“ als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte die Klägerin eine Sachentscheidung des zuständigen Rechtsmittelgerichts herbeiführen.

Die Entscheidung

Das Landgericht Stade hielt sich für unzuständig, da es um eine Wohnungseigentumssache ginge, die bei dem für den OLG-Bezirk Celle zuständigen Landgericht Lüneburg hätte eingelegt werden müssen. Auch wenn Pflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks seien, bestehe ein Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer, weil die Klägerin ihren Anspruch auf ein Sondernutzungsrecht an der Grundstücksfläche stütze. Um die von der Klägerin parallel eingelegte Berufung beim Landgericht Lüneburg hatte sich das Landgericht Stade nicht weiter geschert.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Mache eine Partei – wie hier – von einem Rechtsmittel mehrmals Gebrauch, habe das zuständige Berufungsgericht über das Rechtsmittel einheitlich zu entscheiden. Daher habe das Landgericht Stade die Berufung nicht als unzulässig verwerfen dürfen, da das Rechtsmittelverfahren vor dem zuständigen Landgericht Lüneburg nicht abgeschlossen war.

In der Sache selbst konnte der BGH nicht entscheiden. Es waren nicht die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt getroffen worden. Der BGH gibt dem Landgericht Lüneburg daher Hinweise mit auf den Weg. Es sei festzustellen, welchen Zuweisungsgehalt das in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte Sondernutzungsrecht habe. Rechtlich unzweifelhaft seien die zerstörten Pflanzen gemeinschaftliches Eigentum, da sie gem. § 94 Abs. 1 S. 2 BGB durch Aussäen bzw. Einpflanzung und Wachstum wesentliche Bestandteile des Grundstücks geworden seien. Substanziell geschädigt seien daher zwar alle Wohnungseigentümer. Sollte jedoch die Auslegung der Gemeinschaftsordnung ergeben, dass die Rechtsstellung des Sondernutzungsberechtigten in Bezug auf die Substanz derjenigen eines Eigentümers (Alleineigentümers) gleichzustellen sei, sei ausschließlich der Sondernutzungsberechtigte Anspruchsinhaber und als solcher befugt, einen Schadensersatzanspruch allein geltend zu machen. Ein Fall der (geborenen) Ausübungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 WEG a. F. könne nicht vorliegen, weil es sich dann nicht um ein gemeinschaftsbezogenes Recht handele.

Fazit für den Verwalter

Wird gemeinschaftliches Eigentum beschädigt, stehen Schadenersatzansprüche grundsätzlich allen Eigentümern gemeinschaftlich zu. Nach altem Recht (§ 10 Abs. 6 S. 3 WEG a. F. in der Variante der geborenen Ausübungsbefugnis) wie nach neuem Recht (§ 9a Abs. 2 WEG n. F.) ist die Rechtsverfolgung daher grundsätzlich der Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft unterstellt. Der Verwalter wird im Regelfall von Amts wegen einen entsprechenden Beschlussantrag in die Einladung aufnehmen, um abstimmen zu lassen, inwieweit Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Hierzu gehört auch die Entscheidung, ob vom Schädiger Naturalrestitution oder Geldersatz gefordert wird.

Besteht an dem beschädigten Gegenstand hingegen ein Sondernutzungsrecht, kommt es darauf an, wem die Erhaltung der Substanz nach der Gemeinschaftsordnung zugewiesen ist. Ist – wie bei Gartensondernutzungsrechten oftmals – die Erhaltung dem Sondernutzungsberechtigten selbst auf eigene Kosten zugewiesen, wird die Auslegung im Normalfall dazu führen, dass ausschließlich der Sondernutzungsberechtigte befugt ist, Ansprüche geltend zu machen. Zur Erhaltung gehört die Instandsetzung und diese wiederum umfasst auch die Erneuerung abhängiger oder beschädigter Anpflanzungen. In solchen Fällen ist der Gartensondernutzungsberechtigte kraft Vereinbarung einem Sondereigentümer gleichgestellt, so dass er nicht nur alle übrigen Miteigentümer vom Mitgebrauch ausschließen darf, sondern umgekehrt auch die ausschließliche Nutzungsbefugnis hat. Dazu gehört die Entscheidung, ob und wie von einem Schädiger Schadenersatz verlangt wird. Der Sondernutzungsberechtigte ist zwar kein Eigentümer, jedoch ein berechtigter unmittelbarer Besitzer mit einer alleinigen Ausschluss- und Nutzungsfunktion.

Pflanzt ein Sondernutzungsberechtigter auf einer ihm zugewiesenen Gartenfläche Büsche, Bäume oder sonstige Gehölze, stellt sich die Frage, ob sich das Sondernutzungsrecht an Grund und Boden (Erdreich) kraft Verbindung ebenfalls an diesen fortsetzt. Dies wird im Regelfall zu bejahen sein, wenn es sich laut Gemeinschaftsordnung um eine Gartensondernutzungsfläche handelt, deren Pflege und Nutzung dem Sondernutzungsrecht unterstellt ist.

Anders kann es bei Sondernutzungsrechten an Dachterrassen liegen. Fehlt in der Gemeinschaftsordnung eine klare und eindeutige Vereinbarung, wonach der Sondernutzungsberechtigte für die Erhaltung bzw. Instandhaltung und Instandsetzung auf eigene Kosten zuständig und verantwortlich ist, bleibt die Gemeinschaft in der Pflicht. Hier ist es naheliegend, ihr Schadensersatzansprüche bei Sachbeschädigung zuzuweisen einschließlich der Rechtsverfolgungskompetenz.

Nach § 3 Abs. 2 WEG n. F. kann – was nach altem Recht unmöglich war – an Gartenflächen außerhalb des Gebäudes Sondereigentum begründet werden. Anpflanzungen dürften dann ebenfalls sondereigentumsfähig sein. Werden sie beschädigt, ist der Gartensondereigentümer alleiniger Anspruchsinhaber und zur Rechtsdurchsetzung befugt.

 

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
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