Im Jahr 2016 entschied der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH), der nicht der für das Wohnungseigentumsrecht zuständige Fachsenat ist, dass die Zwangsvollstreckung eines Titels auf Erstellung der Jahresabrechnung für einen Abrechnungszeitraum, in dem der Schuldner zum WEG-Verwalter bestellt war, eine unvertretbare Handlung betrifft und daher vollstreckungsrechtlich kein Kostenvorschuss gefordert werden kann. Jetzt hatte der u. a. für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat Gelegenheit zur Stellungnahme. Er schließt sich dem I. Zivilsenat prinzipiell an, unterscheidet aber feinsinniger. Der Fall war noch nach altem Recht zu beurteilen, gilt aber laut BGH auch zum neuen WEG (WEMoG).
Mit Urteil vom 26.02.2021 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 290/19 entschied der BGH, dass die Aufstellung der Jahresabrechnung als Zahlenwerk durch den Verwalter werkvertraglichen Charakter habe, so dass die Gemeinschaft von ihm, insbesondere wenn er in Verzug sei, einen Vorschuss für die Erstellung bzw. Neuerstellung der Jahresabrechnung verlangen könne. Voraussetzung sei, dass die Gemeinschaft nur das Zahlenwerk fordere, also nicht uneingeschränkt eine Jahresabrechnung einschließlich der Versicherung des Verwalters, dass er alle Einnahmen und Ausgaben des Abrechnungszeitraums nach bestem Wissen vollständig und richtig angegeben habe.
Der Fall
Die Beklagte ist Ex-Verwalter und war vom 25.07.2005 bis zum 03.09.2009 zum Verwalter der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft bestellt. Im Rahmen dieser Tätigkeit erstellte sie die Jahresabrechnungen 2005 bis 2008. Die Beschlüsse, durch die die Jahresabrechnungen 2005 bis 2007 genehmigt worden waren, wurden in einem früheren Gerichtsverfahren rechtskräftig für ungültig erklärt. Über die Jahresabrechnung 2008 war damals nicht beschlossen worden. Die Beklagte erstellte nach Prozessende alle Jahresabrechnungen neu und legte sie der Eigentümerversammlung vom 09.11.2012 vor. Die Versammlung lehnte die Genehmigung ab. Stattdessen wurde beschlossen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, die Beklagte mit Fristsetzung aufzufordern, „die vorliegenden fehlerhaften und unschlüssigen Jahresabrechnungen für die Jahre 2005 bis 2008… schlüssig und nachvollziehbar neu zu erstellen“. Mit Schreiben vom 14.12.2012 forderte der von der Klägerin beauftragte Rechtsanwalt unter Fristsetzung und Klageandrohung zur Neuerstellung der vier Jahresabrechnungen auf. Die Beklagte ließ mit anwaltlichem Schreiben vom 25.01.2013 mitteilen, die von ihr vorgelegten Jahresabrechnungen seien formell und materiell richtig, so dass die erneute Erstellung abgelehnt werde.
Die Klägerin verklagt die beklagte Ex-Verwalterin in erster Linie auf Zahlung eines Vorschusses für die Neuerstellung der Jahresabrechnungen 2005 bis 2008 durch einen Dritten (wahrscheinlich den aktuellen Verwalter) in Höhe von 3.808,00 EUR (offenbar vier x 800,00 EUR netto zzgl. 19 % USt. = 952,00 EUR brutto pro Jahresabrechnung) nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten, hilfsweise auf Neuerstellung der Jahresabrechnungen durch die Beklagte.
Das Amtsgericht Frankfurt a. M. wies den Hauptantrag ab, verurteilte die Beklagte aber zur Neuerstellung der Jahresabrechnungen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht Frankfurt a. M. die Beklagte bis auf einen Teil der Zinsen nach dem Hauptantrag verurteilt (Vorschusszahlung). Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Die Entscheidung
Der BGH bestätigt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts. Die Gemeinschaft könne vom beklagten Ex-Verwalter nicht nur die Neuerstellung der Jahresabrechnungen durch ihn verlangen, sondern einen Vorschuss zwecks Neuerstellung durch einen Dritten. Denn die Gemeinschaft verlange nicht uneingeschränkt Rechnungslegung inklusive seiner Versicherung, das von ihm vorgelegte Zahlenwerk erfasse die im Abrechnungszeitraum seiner Verwaltung angefallenen Einnahmen und Ausgaben vollständig und richtig. Letztere Erklärung könne in der Tat nur der im Abrechnungszeitraum bestellte Verwalter abgeben, kein Dritter. Das Zahlenwerk hingegen stelle eine Auswertung der Belege und Darstellung der Ergebnisse dieser Auswertung in einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung dar, so dass es sich insoweit um eine vertretbare Handlung handele. Dieses Zahlenwerk habe eine doppelte Funktion. Einerseits enthalte es in Gestalt der Gesamtabrechnung die „Rechnung“, die der Verwalter zur Erfüllung seiner Verpflichtung zur Rechnungslegung gemäß § 28 Abs. 4 WEG a. F. (alte Fassung), § 259 Abs. 1 BGB (seit dem 01.12.2020: §§ 675, 666, 259 Abs. 1 BGB) vorzulegen habe. Das mit der Jahresabrechnung erstellte Zahlenwerk sei darüber hinaus die unverzichtbare Unterlage zur Vorbereitung der Beschlüsse, die die Eigentümer zur Finanzierung ihrer Gemeinschaft zu fassen hätten.
Der Verwalter habe die (Gesamt-)Jahresabrechnung unabhängig von seiner Verpflichtung zur Rechnungslegung zu erstellen und den Wohnungseigentümern zur Genehmigung per Beschlussfassung vorzulegen. Das gelte erst recht für die Einzelabrechnungen. Diese Beschlussvorbereitungspflicht durch Erstellung und Präsentation des Zahlenwerks habe einen erfolgsbezogenen, d. h. werkvertraglichen Charakter, so dass die Anwendung des § 637 Abs. 3 BGB (Vorschuss) gerechtfertigt sei. Zwar sei der Verwaltervertrag ein auf Geschäftsbesorgung gerichteter Dienstvertrag. Gleichwohl müsse dieses werkvertragliche Element in den gemischten Vertrag hineingezogen werden, weil die Anwendung des Dienstvertragsrechts (§§ 611 ff. BGB), das keinen Vorschuss kennt, an dieser Stelle nicht sachgerecht sei.
Der BGH äußert sich auch zu der rechtlichen Problematik, dass der Besteller (hier die WEG) einer Werkleistung (hier die Jahresabrechnung) vom Unternehmer (hier der Verwalter) an sich erst nach Abnahme des Werkes zur Selbstvornahme mit Vorschuss (§ 637 BGB) schreiten oder die übrigen sekundären Mängelansprüche des § 634 Nr. 2 bis Nr. 4 BGB geltend machen dürfe, zuvor hingegen auf den primären (Nach-)Erfüllungsanspruch (§§ 634 Nr. 1, 635 BGB) beschränkt ist. Denn wenn – wie hier – der Schuldner die geschuldete mangelfreie Werkleistung endgültig und ernsthaft ablehne, könnten und dürften Mängelansprüche auch ohne Abnahme geltend gemacht werden (Rn. 27 der Urteilsgründe).
Der BGH billigt der Klägerin Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Dabei könne dahinstehen, ob der Beklagte bei Einschaltung des Rechtsanwalts tatsächlich in Verzug gewesen sei. Der Erstattungsanspruch ergäbe sich jedenfalls aus § 635 Abs. 2 BGB. Zu den erforderlichen Aufwendungen, die der Schuldner zu ersetzen habe, könnten Rechtsanwaltskosten des Gläubigers auch ohne Schuldnerverzug gehören. Vorliegend sei die Anwaltsbeauftragung erforderlich gewesen, da der Beklagte fehlerhafte Jahresabrechnungen präsentiert habe, die „im ersten Schwung“ sogar gerichtlich für ungültig erklärt worden waren.
Fazit für den Verwalter
Ein Verwalter muss sich sowohl in die Gläubiger- als auch in die Schuldnerseite versetzen. Auf Gläubigerseite, also als amtierender Verwalter der Gemeinschaft, kann es ratsam sein, den Verwalter auf Schuldnerseite vor Einschaltung eines Rechtsanwalts unter Fristsetzung aufzufordern, korrekte Jahresabrechnungen vorzulegen. Dies hat den Vorteil, dass der Schuldner in Verzug kommt und die Erstattung der Kosten des anschließend mandatierten Rechtsanwalts der Gemeinschaft auch auf dieser Anspruchsgrundlage gestützt werden kann. Empfehlenswert ist außerdem, vom Verwalter auf Schuldnerseite die Jahresabrechnung nur im (eingeschränkten) Sinne des Zahlenwerkes zu verlangen, also nicht eine vollständige Rechnungslegung. Dann steht außer Frage, dass Vorschuss gefordert werden darf, notfalls auch per Zahlungsklage vor Gericht. Die Rechnungslegung ist einer Vorschussforderung dagegen nicht zugänglich. Es handelt sich nach der Rechtsprechung beider Zivilsenate um eine nicht vertretbare Handlung, die kein Dritter erbringen kann.
Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte
Der Anspruch gegen den Verwalter auf Erstellung und Vorlage der Jahresabrechnung stehen nicht den einzelnen Wohnungseigentümern zu, sondern der Gemeinschaft. Gegenüber einem Ex-Verwalter ergeben sich keine Vertretungsprobleme. Der gegenwärtig bestellte Amtsinhaber kann für die Gemeinschaft Forderungen stellen und Fristen setzen. Richtet sich der Anspruch gegen den amtierenden Verwalter, kann er sich nicht selbst eine Frist setzen. Dies muss die Gemeinschaft übernehmen. In Betracht kommt eine Aufforderung nebst Fristsetzung durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats oder einen anderen durch Beschluss dazu ermächtigten Wohnungseigentümer. Ggf. reichen auch hinreichend bestimmte Fristen im Verwaltervertrag, um einen Verzug auszulösen.
Fazit für die Gemeinschaft
Der Fall betraf Ansprüche gegen den früheren Verwalter. Die Aussagen des BGH gelten aber gleichermaßen für den bestellten Amtsinhaber.
Der Fall beleuchtet nicht die Frage, ob und inwieweit die Gemeinschaft während eines langjährigen Anfechtungsprozesses über die Richtigkeit vorgelegter Jahresabrechnungen den Lauf der Verjährungsfirst hemmen muss. Dem Urteil lassen sich die diesbezüglich relevanten Sachverhaltsinformationen nicht entnehmen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, ob die Beklagte vorgerichtlich oder im Prozess die Verjährungseinrede erhob, ob die Vorlage neuer Jahresabrechnungen für 2005–2008 in der Eigentümerversammlung vom 09.11.2012 möglicherweise als Anerkenntnis gewertet werden konnte, der Beklagten in den früheren Anfechtungsverfahren der Streit verkündet worden war oder eine gerichtlich von Amts wegen vorgenommene Beiladung dafür gesorgt hatte, dass das rechtskräftige Urteil auch gegenüber dem beilgeladenen Verwalter eine Verjährungshemmung bewirkte (§ 48 Abs. 3 WEG a. F.). Es liegt nahe, das werkvertragliche Verjährungsrecht anzuwenden, sodass Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist verjähren dürften.
Wie wäre es nach dem neuen WEG 2020 (WEMoG)?
Der Fall wurde nach altem Recht beurteilt, auch wenn der BGH sein Urteil am 26.02.2021, also nach dem 01.12.2020 verkündete. Maßgeblich war, dass der Senat am 30.10.2020 mündlich verhandelte, also noch unter der Geltung des alten Gesetzes (Rn. 5 der Urteilsgründe).
Auffällig ist, dass der BGH im amtlichen Leitsatz bereits die Terminologie des WEMoG verwendet, wenn es dort heißt, den Wohnungseigentümern durch die Erstellung und Vorlage des Zahlenwerks der Jahresabrechnung die Beschlussfassung über die Einforderung von Nachschüssen und die Anpassung von Vorschüssen zu ermöglichen. Dies entspricht dem Wortlaut von § 28 Abs. S. 1 WEG nF (neue Fassung). Auch in der Urteilsbegründung greift der BGH die neuen Gesetzesvorschriften verschiedentlich auf.
Der I. Zivilsenat hat dem V. Zivilsenat auf dessen Anfrage mitgeteilt, dass sein Beschluss vom 23.06.2016 – I ZB 5/16 der vorliegenden Beurteilung nicht entgegenstehe (Rn. 23). Beide Senate liegen also auf einer einheitlichen Linie, wenngleich es gekünstelt wirkt, die Jahresabrechnung in ein werkvertragliches Zahlenwerk (vertretbare Handlung) und eine höchstpersönliche Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit im Sinne einer Rechnungslegung (unvertretbare Handlung) zu unterteilen. Der Aussagewert des Zahlenwerks ist nämlich beschränkt, wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass tatsächlich alle im Abrechnungszeitraum getätigten Geldflüsse aufgenommen wurden. Der Praxis jedenfalls hilft die Unterscheidung jedoch weiter, da sie einen zuverlässigen Weg aufzeigt, von einem Verwalter, zu dem die Gemeinschaft das Vertrauen verloren hat, einen Vorschuss anzufordern, um die fehlende oder fehlerhafte Jahresabrechnung durch eine fachkundige Person des Vertrauens auf Kosten des Schuldners erstellen und zur Beschlussfassung vorlegen zu lassen. Auf eine Neuerstellung durch den Schuldner muss sich die Gemeinschaft nicht mehr einlassen.
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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