WEG-Recht

Der Verwalter sitzt, das Grundstück liegt – und die GdWE?

Ein nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) aufgeteiltes Grundstück ist eine Liegenschaft. Es liegt an der Erdoberfläche. Der gewerbsmäßig tätige Verwalter hat einen Geschäftsort, an dem er sitzt. Wie verhält es sich mit der GdWE? Sie ist eine rechtsfähige Person, die etwas verwaltet, das ihr nicht gehört, und bestellt hierfür einen Verwalter, der zumeist kein Mitglied der Gemeinschaft ist. Welche Rechtsfolgen hat das für Ansprüche (z.B. auf Einsicht in Verwaltungsunterlagen), für den Ort der Eigentümerversammlung und für die Erstattung von anwaltlichen Reisekosten? Der Beitrag geht verschiedenen Fallvariationen nach.

Einige aktuelle Gerichtsurteile beschäftigen sich mit dem im Vorspann skizzierten Rechtsfragen. Ist der Erfüllungsort für die Einsichtnahme in Verwaltungsunterlagen der Geschäftsraum am Sitz des Verwalters oder die Ortschaft, in der das von der GdWE verwaltete Grundstück liegt, oder gar die GdWE selbst? Darf eine GdWE einen Rechtsanwalt am Ort des Sitzes ihres Verwalters beauftragen, wenn dieser weiter entfernt vom Grundstück sitzt und den Rechtsanwalt namens der GdWE mit Hausgeldinkasso beauftragt, oder sind nur reduzierte „fiktive“ Reisekosten zum Gerichtstermin erstattungsfähig? Muss eine Eigentümerversammlung in der Nähe der Liegenschaft stattfinden oder am Sitz des Verwalters, auch wenn dieser seinen Sitz in einiger Entfernung hat?

Die Fälle

Fall 1: Ein Wohnungseigentümer verklagt den Verwalter auf Einsicht in Verwaltungsunterlagen. Zuvor hatte er eine Frist gesetzt und Klage angedroht. Einen konkreten Termin und einen konkreten Ort nannte der Wohnungseigentümer nicht. Der Verwalter erklärte ein sofortiges Anerkenntnis und bot an, dem Wohnungseigentümer jederzeit nach vorheriger Terminabsprache Einsichtnahme in den Geschäftsräumen des Verwalters während der üblichen Öffnungszeiten zu gewähren.

Fall 2: Ein außerhalb ansässiger WEG-Verwalter ist für eine GdWE in Offenbach am Main bestellt. Ein Hausgeldschuldner erhebt Einwendungen gegen die Forderungen. Der Verwalter beauftragt einen Rechtsanwalt am Verwaltersitz mit der Vertretung der GdWE vor dem Amtsgericht Offenbach. Die GdWE obsiegt. Die geltend gemachten Reisekosten werden vom Kostenbeamten teilweise zurückgewiesen, da es ausreichend gewesen sei, einen Rechtsanwalt im Amtsgerichtsbezirk Offenbach zu beauftragen. Die GdWE geht ins Rechtsmittel.

Die Entscheidungen

Fall 1: Jeder Wohnungseigentümer kann von der GdWE Einsicht in die Verwaltungsunterlagen verlangen (§ 18 Abs. 4 WEG). Die Verwaltungsunterlagen gehören der GdWE (§ 9a Abs. 3 WEG). Streitig ist, ob die Einsichtnahme „am Sitz“ der GdWE zu erfolgen hat oder am Sitz des Verwalters. Diese Streitfrage wird relevant, wenn sich GdWE und Verwalterunternehmen an unterschiedlichen Orten befinden. Das Amtsgericht Heidelberg, Urteil vom 19.4.2023 zum gerichtlichen Aktenzeichen 45 C 103/22, bejaht letzteres, und zwar für den Fall, wenn der Sitz des Verwalters nicht in zumutbarer Entfernung zum Grundstück befindet. Ein Wohnungseigentümer müsse die Wegstrecke auf sich nehmen.

Fall 2: In der sofortigen Beschwerde entschied das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 9.5.2023 zum gerichtlichen Aktenzeichen 2-13 T 20/23, dass der GdWE die anwaltlichen Reisekosten in voller Höhe zu erstatten seien. Zwar sei es im Grundsatz zutreffend, dass an sich der Sitz der Partei maßgeblich sei, so dass Reisekosten nur bis zur Höhe von fiktiven Reisekosten zu dem am weitesten entfernten Ort im Gerichtsbezirk erstattungsfähig seien, wenn ein auswärtiger Rechtsanwalt mandatiert worden sei. Allerdings sei bei juristischen Personen anerkannt, dass nicht rein formal der Sitz des Unternehmens ausschlaggebend sein dürfte, sondern die tatsächliche Organisation der juristischen Person zu berücksichtigen sei, so dass ein Rechtsanwalt etwa auch an dem Ort beauftragt werden könne, an dem die juristische Person ihre Rechtsabteilung hat und ihre Rechtsstreitigkeiten organisiert. Dies müsse auch bei der GdWE Berücksichtigung finden. Diese sei zwar keine juristische Person, gleichwohl aber ein rechtsfähiges Konstrukt, welches durch einen privatrechtlichen bestellten Amtsinhaber im Rechtsverkehr auftrete. Der bestellte Verwalter sei nicht mit einer Rechtsabteilung vergleichbar, da er nicht über entsprechende Rechtskenntnisse verfügen und Rechtsstreitigkeiten selbst abarbeiten müsse; gleichwohl würden aber sämtliche Betriebs- und Organisationsmittel beim Verwalter vorgehalten werden.

Fazit für den Verwalter

Im Fall 1 war die Klage schon deshalb unbegründet, weil fälschlicherweise der Verwalter verklagt wurde. Richtige Beklagte wäre die GdWE gewesen. Wohnungseigentümer haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Übersendung von Unterlagen, sondern nur Einsichtnahme am Sitz des Verwalters während der üblichen Bürozeiten nach vorheriger Ankündigung. Ausnahmsweise kann es sich anders verhalten, wenn die Distanz zwischen Wohnort des Wohnungseigentümers und Verwaltersitz unzumutbar weit ist. So hat es der BGH im Jahr 2011 grundsätzlich entschieden. Verwalter dürfen indes anbieten, einem Wohnungseigentümer den Fahrtweg zu ersparen und gegen Kostenzusage die begehrten Verwaltungsunterlagen zu übersenden. Eine solche Kostenerstattungserklärung sollte vorsorglich dokumentiert werden, beispielsweise per E-Mail. Auch sollte der Wohnungseigentümer aufgefordert werden, die Unterlagen, die er haben möchte, konkret zu beschreiben.

In aller Regel werden die Verwaltungsunterlagen dem Verwalter nach Amtsübernahme übergeben. Nur selten befinden sie sich in Räumen der Liegenschaft oder in einem von der GdWE gesondert angemieteten Lager. In der derartigen Sonderfällen sollten im Vorfeld klare Absprachen darüber getroffen werden, wo die Einsichtnahme erfolgt und wer Unterlagen beschafft und transportiert.

Anwaltsmandate werden in der Regel aufgrund persönlicher Vertrauensbeziehungen vergeben. Mandantengespräche werden zumeist persönlich geführt. Daher ist es zweckmäßig, wenn der Verwalter einen Rechtsanwalt an seinem Sitz beauftragt. Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn der Anspruchsgegner vorgerichtlich Einwendungen erhebt begründet. Anders kann es sich ausnahmsweise verhalten, wenn im Vorfeld klar und eindeutig vorhersehbar ist, dass mit gerichtlicher Gegenwehr nicht zu rechnen ist, also bei Hausgeldrückständen etwa ein Versäumnisurteil ergeht. Hier kann es ausnahmsweise nicht notwendig sein, zusätzliche Reisekosten durch den auswärtigen Rechtsanwalt zu verursachen. Im Fall 2 war dies nicht der Fall.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Die Versammlung der Wohnungseigentümer wird von dem bestellten Verwalter mindestens einmal im Jahr einberufen (§ 24 Abs. 1 WEG). Zum Versammlungsort sagt das Gesetz nichts. Die überwiegende Meinung geht davon aus, dass bei einer physischen Versammlung ein Versammlungsraum an einem Ort in der Nähe der Liegenschaft zu wählen ist. Welche Entfernung bzw. Fahrtwege zumutbar sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Bei einer Ferienwohnanlage an der Küste sind beispielsweise längere Reisezeiten zumutbar. Selbst wenn sich auf dem Grundstück, welches von der GdWE verwaltet wird, geeignete Räume befinden, etwa ausreichend große Säle in einem Hotel-Teileigentum, muss der Verwalter die Versammlung nicht dorthin einladen. Es besteht ein grundsätzlich weites Einladungsermessen.

Anders als bei Kapitalgesellschaften oder sonstigen juristischen Personen hält eine GdWE keine Betriebs- und Organisationsmittel vor. Wird das Verwalteramt mit einem konkreten Verwalter besetzt, bringt dieser Amtsinhaber die erforderlichen Betriebs- und Organisationsmittel einschließlich Personal, EDV, Räumen etc. mit. Endet die Amtszeit, endet auch die Mittelausstattung, da der Amtsträger seine Betriebs- und Organisationsmittel wieder mitnimmt und ein neuer Verwalter bestellt werden muss.

Folge dieser wohnungseigentumsrechtlichen Besonderheit ist beispielsweise auch, dass der Verwaltungsbeiratsvorsitzende, wenn er von seinem gesetzlichen Ersatzeinberufungsrecht Gebrauch machen will (§ 24 Abs. 3 WEG), nicht auf einen von der GdWE vorgehaltenen Büro- und Organisationsbetrieb zurückgreifen kann, sondern aus eigenen Mitteln Einberufungsschreiben mit Tagesordnung aufsetzen, ausfertigen und versenden muss. Dies ist vielfach – gerade in großen Gemeinschaften – beschwerlich bis unmöglich, so dass gegebenenfalls auf externe Dienste zurückgegriffen werden muss mit entsprechenden Schadensersatz- und / oder Aufwendungsersatzansprüchen.

Fazit für die Gemeinschaft

Falls die GdWE Wert darauflegt, dass bestimmte Ereignisse oder Handlungen in der Liegenschaft oder in einer bestimmten Gemeinde oder an einen bestimmten Erfüllungsort erbracht werden, bieten sich entsprechende Regelungen im Verwaltervertrag oder im Bestellungsbeschluss an.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de