Mit Urteil vom 16.12.2014 zum gerichtlichen Aktenzeichen 11 S 14/14 hat das Landgericht Karlsruhe den Mehrheitsbeschluss über die Ablehnung einer Innendämmungsmaßnahme in der Wohnung der Kläger für ungültig erklärt. Zugleich ersetzte das Gericht einen entsprechenden Beschluss der Eigentümer zur Innendämmung der Außenwände der Wohnung nach den Empfehlungen eines gerichtlichen Sachverständigen. Dieser beschlussersetzende Urteilsausspruch beruhte auf § 21 Abs. 8 WEG. Hierbei äußert sich das LG Karlsruhe u. a. zu der rechtlich spannenden Frage, ob hinsichtlich der technischen Anforderungen an die Wärmedämmung des Gebäudes (DIN 4108) der Zeitpunkt der Errichtung oder der Zeitpunkt der Vornahme der Maßnahme zu berücksichtigen ist.
Der Fall
In der vermieteten Wohnung der Kläger gibt es Feuchteerscheinungen auf den Innenseiten der Außenwände. In einem von den Klägern und ihrem Mieter geführten selbständigen Beweisverfahren, in dem die Kläger den Beklagten Wohnungseigentümern den Streit verkündet haben, stellte der gerichtliche Sachverständige fest, dass der Sockelbereich im Bereich der betroffenen Mietwohnung hinsichtlich der Wärmedämmung instandsetzungsbedürftig ist, da bereits die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden technischen Anforderungen der DIN 4108 nicht erfüllt wurden. Maßgeblich war die DIN 4108 in der Fassung August 1969. Unzureichendes Heiz- und Lüftungsverhalten der Mieter konnte nach dem Sachverständigengutachten als Schadensursache ausgeschlossen werden.
Die Kläger beantragten, dass die Wohnungseigentümer einer Innendämmung der Außenwände der klägerischen Wohnung nach den Empfehlungen des Sachverständigen zustimmen. Die Versammlung lehnte dies ab. Die Wohnung war unbewohnbar. Während des erstinstanzlichen Verfahrens ließ der Verwalter eine Außenwanddämmung aufbringen. Die Beklagten meinen, hierdurch habe sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.
Die Entscheidung
Das AG Heidelberg und das LG Karlsruhe gaben der Klage statt. Zwar scheide eine Instandsetzungspflicht aus, wenn das Haus in Bezug auf die Wärmedämmung ursprünglich einwandfrei errichtet wurde (Hinweis auf OLG Hamburg, WuM 1999, 55). Dies sei aber hier nicht der Fall, da die ausgeprägte Wärmebrücke im Bereich der Stahlbetondecke und Stahlbetonkellerwand bei weitem unterhalb des vorgeschriebenen Dämmwerts gemäß DIN 4108 (1969) lag. Daher sei eine Instandsetzung erforderlich.
Da die Wohnung wegen der erheblichen Gesundheitsgefahr nicht mehr bewohnbar war und der Sachverständige sich bereits zur Tauglichkeit und den voraussichtlichen Kosten einer Innendämmung geäußert hatte, konnte und durfte das LG Karlsruhe zur gerichtlichen Beschlussersetzung anstelle der Eigentümer schreiten (§ 21 Abs. 8 WEG). Zwar sei grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum der Mehrheit eröffnet. Dies gelte aber nicht, wenn wie hier unstreitig der Sanierungsstau am gemeinschaftlichen Eigentum das Sondereigentum unbewohnbar mache und daher ein sofortiges Handeln erforderlich sei (Hinweis auf BGH, 17.10.2014 V ZR 9/14).
Erfolglos war der Einwand der Beklagten, eine Innendämmung sei stets Sondereigentum und nicht Sache der WEG. Zutreffend weist das LG Karlsruhe darauf hin, dass Isolier- und Dämmschichten an Wänden und Böden unabhängig von ihrer Position an der Wand immer zwingend Gemeinschaftseigentum seien.
Fazit für den Verwalter
Das grundsätzlich weite Ermessen der Mehrheit bei der Behebung von Schäden des gemeinschaftlichen Eigentums schmilzt auf eine sofortige Handlungsverpflichtung zusammen, wenn es um sofort erforderliche Maßnahmen geht, um die Unbewohnbarkeit eines Sondereigentums zu beseitigen.
In einer solchen Situation sind alle Eigentümer gesetzlich dazu verpflichtet, einem entsprechenden Beschlussantrag mit Ja zuzustimmen. Tun sie dies nicht, stimmen sie also beispielsweise mit Nein, enthalten sie sich oder gehen sie erst gar nicht zur Versammlung (und erteilen sie auch keine Vollmacht), so droht ihnen eine Inanspruchnahme auf Schadensersatz. Hierauf darf ein Wohnungseigentumsverwalter die Eigentümer in der Versammlung hinweisen.
Riskant war es, dass der Verwalterkollege im vorliegenden Fall die an sich sinnvolle Außenwanddämmung eigenmächtig und ohne die erforderliche Beschlussfassung in Auftrag gab. Dazu ist ein Verwalter nicht befugt. Nachvollziehbar war es deshalb auch, dass das LG Karlsruhe eine Hauptsacheerledigung verneinte. Denn es war keineswegs sichergestellt, dass die tatsächlich aufgebrachte Außendämmung dauerhaft Bestand haben würde. Vielmehr drohte hier ein Folgenbeseitigungsanspruch.
Rechtlich interessant und höchstrichterlich (vom BGH) noch nicht geklärt ist die Frage, auf welche DIN abzustellen ist, wenn ein Eigentümer eine Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangt. Im vorliegenden Fall meinte das LG Karlsruhe, dass die Wärmedämmung nur in den Zustand versetzt werden muss, der zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes den damals geltenden technischen Anforderungen entsprach (DIN 4108 Ausgabe 8/1969). An spätere, höhere technische Anforderungen müsse die Wärmedämmung nicht angepasst werden.
Diese Aussage für die Wärmedämmung ist nicht verallgemeinerungsfähig. Im Falle einer Hausschwammsanierung stellte der BGH fest, dass auf den Zeitpunkt der Sanierung abzustellen sei (BGH, 24.05.2013 V ZR 182/12). Bei Trittschallmängeln wiederum kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes an (BGH, 27.02.2015 V ZR 73/14 und 01.06.2012 V ZR 195/11).
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt Rechtsanwälte
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