WEG-Recht

Gestattungsbeschluss über Terrassenvergrößerung begründet kein rechtsgeschäftliches Sondernutzungsrecht

Gestattet die Mehrheit einem Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung, hat er die Kosten zu tragen. Nur ihm gebühren die Nutzungen. So ist es in § 21 Abs. 1 S. 1 und 2 WEG verankert. Man spricht von einem gesetzlichen Sondernutzungsrecht. Ist der Beschluss dennoch nichtig? Ein Fall aus dem Amtsgerichtsbezirk Mühlheim an der Ruhr geht möglicherweise bis zum BGH.

Mit Urteil vom 11.11.2022 zum Aktenzeichen 19 S 19/22 bejahte das Landgericht Düsseldorf in der Berufungsinstanz die Beschlusskompetenz, einem Eigentümer die Erweiterung seiner Terrasse zu gestatten, auch wenn er dadurch „faktisch“ ein Sondernutzungsrecht an einer Gemeinschaftsfläche erhalte. Die rechtsgeschäftliche Begründung eines Sondernutzungsrechts, die in der Tat nichtig wäre, läge darin nicht. Das Landgericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu, weil die Frage der Zulässigkeit faktischer Sondernutzungsrechte infolge baulicher Veränderungen höchstrichterlich zu klären sei.

Der Fall

Der Kläger begehrt im Wege der Beschlussersetzungsklage den Rückbau einer durch den Miteigentümer A errichten Erweiterung seiner Terrasse. Der Kläger ist einer von 3 Miteigentümern der GdWE. A gehört die Erdgeschosswohnung mit Terrasse. Ohne vorherige Zustimmung erweiterte er diese um 13,28 qm auf etwa das Dreifache ihrer ursprünglichen Größe. Nachträglich stimmte die Eigentümerversammlung der vorgenommenen baulichen Veränderung zu. Der Beschluss wurde mit 2 Ja-Stimmen (darunter die Stimme des A) und einer Nein-Stimme des Klägers gefasst. Der Beschluss wurde bestandskräftig, nachdem der Kläger seine gegen ihn gerichtete Anfechtungsklage wieder zurückgenommen hatte. In derselben Versammlung hatte der Kläger beantragt, dass die GdWE den A auf Rückbau verklagt, was mit einer Ja- gegen 2 Nein-Stimmen abgelehnt wurde. Das Amtsgericht hatte der Beschlussersetzungsklage stattgegeben, das Landgericht Düsseldorf wies die Klage ab.

Die Entscheidung

Der Kläger könne nicht beanspruchen, dass die GdWE Rückbauklage gegen den A erhebe. Da der Gestattungsbeschluss bestandskräftig sei, könnten Überlegungen zur Rechtmäßigkeit des Beschlusses dahinstehen. Dies gelte insbesondere für die Frage, ob in einer – wie hier – erheblichen Erweiterung der Terrassenfläche eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage als Ganze liegen könne. Der Gestattungsbeschluss sei nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig. Dies wäre allerdings der Fall gewesen, wenn im Beschluss die rechtsgeschäftliche Begründung eines Sondernutzungsrechts an der von der Terrasse überbauten Grundstücksfläche liegen sollte. So sei es aber nicht. Vielmehr sei das alleinige Nutzungsrecht die gesetzliche Rechtsfolge der Gestattung (§ 21 Abs. 1 S. 2 WEG). Anders als nach früherer Rechtslage läge darin keine rechtsgeschäftliche Einräumung eines Sondernutzungsrechts, so dass der Beschluss wirksam sei.

Einen Anspruch auf gerichtliche Beschlussersetzung habe der Kläger daher nicht, weil das Führen aussichtsloser, namentlich von vornherein unbegründeter Rückbauprozesse, gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstoße.

Fazit für den Verwalter

Bei der Vorbereitung und Durchführung einer Beschlussfassung, vor allem aber bei der Verkündung des Beschlussergebnisses, muss der Verwalter darauf achten, dass die zur Abstimmung gestellte Beschlussfassung von Beschlusskompetenz getragen ist. Für die rechtsgeschäftliche Begründung von Sondernutzungsrechten fehlt eine Beschlusskompetenz, und zwar sowohl nach alter als auch nach neuer Gesetzeslage, sofern nicht in der Gemeinschaftsordnung eine Öffnungsklausel vereinbart ist, die einen Mehrheitsbeschluss in dieser Hinsicht genügen lässt. Ein Beschluss ist ein Rechtsgeschäft.

Ist hingegen ein Beschluss nach objektiver Auslegung nicht auf die rechtsgeschäftliche Begründung eines Sondernutzungsrechts gerichtet, sondern auf die Gestattung einer baulichen Veränderung, ist er von Beschlusskompetenz getragen (§ 20 Abs. 1 WEG). Das ausschließliche und alleinige Nutzungsrecht an der baulich geschaffenen Anlage oder Einrichtung erlangt der Wohnungseigentümer nicht durch den Beschluss, also nicht per Rechtsgeschäft, sondern als gesetzliche Rechtsfolge gemäß § 21 Abs. 1 S. 2 WEG.

In letzter Zeit ließen mehrere Landgerichte die Revision zum BGH zu, um Fragen der Gestattung baulicher Veränderung klären zu lassen. Neben dem Fall aus Düsseldorf sind Urteile des Landgerichts Köln vom 26.1.2023 – 29 S 136/22 und des Landgerichts München I vom 8.12.2022 – 36 S 3944/22 WEG zu nennen. Dort geht es vorrangig um die Frage, wann eine grundlegende Umgestaltung im Sinne von § 20 Abs. 4 WEG gegeben ist. Ob Revision eingelegt wurde, bleibt abzuwarten.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Begehren Wohnungseigentümer von der GdWE die Gestattung einer baulichen Veränderung am Sondereigentum oder gemeinschaftlichen Eigentum, sind sie bei der Abstimmung nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen. Gesetzliche Stimmrechtsverbote gemäß § 25 Abs. 4 WEG betreffen diesen Fall nicht. Daher war nicht zu beanstanden, dass A an der Abstimmung beteiligt war, obwohl zu erwarten war, dass er seine Terrassenerweiterung „super findet“. Versammlungsleiter müssen das wissen und berücksichtigen.

Die Gestattung einer baulichen Veränderung kann sowohl als Einwilligung und somit vor ihrer Vornahme beschlossen werden als auch – wie hier im Fall – als nachträgliche Zustimmung (Genehmigung), wenn die Baumaßnahme bereits durchgeführt wurde.

Fazit für die Gemeinschaft

Die Dreiergemeinschaft im Fall hatte keinen Verwalter. Im Beschlussersetzungsprozess wurde sie durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten, allerdings ohne den Kläger, da dieser nicht auf beiden Seiten des Prozessrechtsverhältnisses erscheinen kann. Grundsätzlich ist die GdWE verpflichtet, streitige Ansprüche geltend zu machen, falls erforderlich, nicht nur außergerichtlich, sondern vor Gericht. Wenden sich Wohnungseigentümer mit schlüssig dargelegten Ansprüchen an sie, muss die GdWE, vertreten durch den Verwalter, grundsätzlich aktiv werden. Nur wenn die verlangte Rechtsverfolgung von vornherein aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen evident aussichtslos ist, kann anderes gelten.

Wie wäre es nach dem neuen WEG 2020 (WEMoG)?

Ausgangspunkt des Streits waren Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 25.3.2021, so dass neues Recht galt. Deshalb ein Blick auf die alte Gesetzeslage: Damals gab es die gesetzliche Rechtsfolge („faktisches Sondernutzungsrecht“) nicht, so dass ein Beschluss mangels Beschlusskompetenz nichtig gewesen wäre, wenn und weil man darin nicht nur die Zustimmung zur baulichen Veränderung gesehen hätte, sondern zugleich die Begründung eines Sondernutzungsrechts. Das war zweifelhaft, aber damalige Rechtsprechung des BGH, so dass sich Diskussionen an dieser Stelle erübrigten.

 

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de