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Gewerbemietvertrag: Umlage „sämtlicher Betriebskosten“ im Sinne der Betriebskostenverordnung

Auch der in einem Gewerbemietvertrag verwendete Begriff „Betriebskosten″ erfasst ohne weitere Erläuterungen alle zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in die gesetzliche Definition nach § 556 Absatz 1 Satz 2 und 3 BGB in Verbindung mit § 2 Betriebskostenverordnung (BetrKV) einbezogenen Betriebskostenarten. Das gilt zumindest, sofern sich kein übereinstimmendes abweichendes Begriffsverständnis der Vertragsparteien feststellen lässt.

Der Fall

Die Mieterin eines bebauten Grundstückes zum Betrieb eines Supermarktes mit Getränkehandel streitet mit ihrem Vermieter darüber, ob die Grundsteuer für das Mietobjekt als Betriebskosten zu erstatten ist. Zu den Betriebskosten enthielt der im Jahr 1990 geschlossene Gewerbemietvertrag die Regelung, dass sämtliche Betriebskosten vom Mieter getragen werden, worunter insbesondere die Kosten der Be- und Entwässerung sowie Heizungs- einschließlich Zählermiete und Wartungskosten fallen. In den jährlichen Betriebskostenabrechnungen bis einschließlich 2011 ließ der Vermieter die für das Mietobjekt anfallende Grundsteuer unberücksichtigt. Im Jahr 2016 machte er erstmals für die Jahre 2012 und 2013 wegen der Grundsteuer eine Nachforderung von jeweils 5.116,92 Euro geltend, welche die Mieterin nicht beglich.

Das erstinstanzliche Landgericht gab der Klage auf Zahlung der beiden Grundsteuerbeträge statt. Das Berufungsgericht hingegen wies die Klage ab und sprach die begehrte Feststellung aus, dass die Mieterin nicht zur Tragung der Grundsteuer als Betriebskosten verpflichtet sei. Zur Begründung führte das Instanzgericht aus, dass auf Grundlage der mietvertraglichen Regelung der Vermieter nicht berechtigt sei, die Grundsteuer auf die Mieterin umzulegen. Es fehle der entsprechenden Klausel an der inhaltlichen Bestimmtheit. Zudem komme der Betriebskostenbegriff des § 556 BGB nicht für Gewerberaummietverhältnisse zur Anwendung. Darüber hinaus sei die Formulierung „sämtliche Betriebskosten“ intransparent. Das Berufungsgericht argumentierte weiter, dass das Verhalten des Vermieters in der Zeit zwischen 1990 und 2016 darauf hindeute, dass er die Grundsteuer als Betriebskostenart nicht auf die Mieterin umlegen wolle.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof ist der Argumentation der Berufungsinstanz nicht gefolgt. Es verweist darauf, dass die streitentscheidende Frage, ob laut der mietvertraglichen Regelung die Mieterin die Grundsteuer als Betriebskosten zu tragen hat, falsch beurteilt wurde. Zwar hat das Oberlandesgericht noch richtig bewertet, dass es sich bei den verwendeten Formulierungen im Gewerbemietvertrag um eine Individualvereinbarung und nicht um eine vielfach verwendete Formularklausel handelt. Laut dem BGH muss eine individualvertragliche Betriebskostenvereinbarung bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Weitergehende Transparenzanforderungen bestehen jedoch nicht. Für die Frage, ob eine Betriebskostenart durch eine entsprechende Individualvereinbarung auf den Mieter umgelegt werden kann, ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien durch Auslegung gemäß §§ 133,157 BGB zu ermitteln. Dabei kann auf die gesetzliche Definition eines Rechtsbegriffes zurückgegriffen werden, wenn sich kein übereinstimmendes abweichendes Begriffsverständnis der Parteien feststellen lässt.

In einer früheren Entscheidung hatte der hier zuständige Senat es bereits als zulässig erachtet, für die Auslegung des in Gewerbemietverträgen verwendete Begriff der „Verwaltungskosten″ auf die in der Betriebskostenverordnung enthaltenen Definitionen zurückzugreifen, obwohl diese Bestimmungen für die Gewerberaummiete nicht anzuwenden sind. Nichts anderes gilt für die hier erforderliche Auslegung des Begriffs der „Betriebskosten″. Obwohl § 556 nicht auf Gewerberaummietverhältnisse anwendbar ist, kann die dort verwendete gesetzliche Definition zu Auslegungszwecken herangezogen werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass im Bereich der Gewerberaummiete weitere Kostenpositionen auf den Mieter umgelegt werden können, die nicht im Katalog des § 2 BetrKV aufgeführt sind.

Daraus folgt, dass es einer Vereinbarung, wonach der Mieter sämtliche Betriebskosten zu tragen hat, auch im Bereich der Gewerberaummiete nicht an der erforderlichen Bestimmbarkeit fehlt. Vielmehr erfasst eine solche Regelung alle zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in die gesetzliche Definition einbezogenen Kostenarten, wenn kein übereinstimmendes abweichendes Begriffsverständnis der Vertragsparteien erkennbar ist.

Das Berufungsgericht muss nach erfolgter Zurückverweisung unter Beachtung der Ausführungen des BGH nun prüfen, ob die jahrzehntelange Nichtumlage der Grundsteuer für die Ermittlung des tatsächlichen Willens der Vertragsparteien eine Bedeutung zukommt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 8.April 2020, Az. XII ZR 120/18

Vorinstanzen:

OLG Celle, 9. November 2018, Az. 2 U 81/18

LG Hannover, 15. Juni 2018, Az. 17 O 139/17