Arbeitsrecht

Kein Mindestlohn für Rufbereitschaft

Rufbereitschaft ist nicht mindestlohnpflichtig. Das Landesarbeitsgericht Hessen entschied in einem jüngeren Fall, dass für die Rufbereitschaft eine (angemessene) Pauschale in Zeit oder Geld zu leisten ist, denn es ist keine Arbeitszeit, da der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt.

Der Fall

A ist Busfahrer bei einem so genannten Rufbusunternehmen. Im Arbeitsvertrag ist geregelt, dass es „Wartezeiten auf den nächsten Auftrag“ sowie „Standzeiten” gibt. Während dieser Zeiten kann sich A an einem von ihm selbst gewählten Ort aufhalten, um bei Abruf innerhalb von 30 Minuten die Arbeit aufzunehmen. Er muss über das Smartphone erreichbar zu sein, um die eingehenden E-Mails zu lesen. Daneben hat A geplante Touren, die aber nicht den ganzen Tag abdecken. Erst zur nächsten geplanten Tour muss A mit dem Bus an einer vorgesehenen Haltestelle sein.

Für die Warte- und Standzeiten erhält A lediglich eine Pauschale von 3 Euro je Stunde. A ist der Ansicht, dass diese Zeiten mit Mindestlohn zu vergüten sind.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab. Zwar sind Bereitschaftszeiten vergütungspflichtige Arbeit, die mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten wäre. Aber Bereitschaftszeiten liegen nur vor, wenn sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten hat, um bei Bedarf sofort die Arbeit aufnehmen zu können.

Nach Ansicht der Richter lag hier Rufbereitschaft vor. Diese verpflichtet zwar auch den Arbeitnehmer, auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Aber er kann sich hierfür an einem Ort seiner Wahl aufhalten. Er muss nur seine jederzeitige Erreichbarkeit sicherstellen. Dass hier der Arbeitsvertrag 30 Minuten vorgibt, ist unschädlich. Denn auch bei Rufbereitschaft darf zwischen dem Abruf und der Arbeitsaufnahme nur eine solche Zeitspanne liegen, dass hierdurch der Einsatz nicht gefährdet wird. Dem Zweck der Rufbereitschaft läuft nicht zuwider, wenn der Arbeitsplatz von der Wohnung des Mitarbeiters in ca. 25 bis 30 Minuten zu erreichen ist. Wegezeiten in dieser Größenordnung sind nicht unüblich und deshalb vom Arbeitgeber auch bei Rufbereitschaft, die herkömmlicherweise überwiegend zu Hause geleistet wird, generell hinzunehmen.

Rufbereitschaft ist nicht mindestlohnpflichtig. Denn es ist keine Arbeitszeit, da auch keine Arbeitsleistung erbracht wird. Denn A kann im Rahmen des aufgestellten Fahrplans über seine verbleibende Zeit frei verfügen. Dass A erreichbar sein und eingehende Nachrichten zur Kenntnis nehmen muss, ist unerheblich. Das ist nämlich nicht seine geschuldete Arbeitsleistung.

Der Tipp

Durch den Arbeitsvertrag können erhebliche Spielräume gestaltet werden. Die Ungewissheit, ob ein Auftrag zu bearbeiten ist, kann teilweise auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden. Zu beachten ist, dass es keine Arbeit auf Abruf ist. Zudem ist für die Rufbereitschaft eine (angemessene) Pauschale in Zeit oder Geld zu leisten.

(LAG Hessen, Urteil vom 21.11.2016 - Aktenzeichen 16 Sa 1257/15)


Ivailo Ziegenhagen,
Rechtsanwalt
Ziegenhagen Rechtsanwälte, Berlin
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