Mit Urteil vom 06.06.2024 zum gerichtlichen Aktenzeichen 2-13 S 48/23 gab das Landgericht Frankfurt a.M. der Anfechtungsklage eines Wohnungseigentümers statt, der sich gegen die Gestattung der Installation eines Klimasplitgerätes auf dem Balkon der Wohnung direkt über ihm zur Wehr setzte. Neben dem Eingriff in die Bausubstanz und die optische Umgestaltung der Wohnanlage rügte er die von dem Gerät auch bei bestimmungsgemäßem Betrieb ausgehenden Geräusch- und Kondenswasseremmissionen. Das Landgericht gab ihm recht, nachdem das Amtsgericht Friedberg die Klage abgewiesen hatte.
Der Fall
Die Kläger sind Wohnungseigentümer der beklagten GdWE, die aus 11 Wohnungen besteht. Die Eigentümerversammlung vom 08.09.2022 beschloss, dem Eigentümer der Wohnung über den Klägern die Installation eines Klimasplitgerätes auf dem Balkon zu gestatten. Diese Wohnung und der Balkon befinden sich unmittelbar über Wohnung und Balkon der Kläger. Im Beschluss wird das genehmigte Klimasplitgerät wie folgt beschrieben:
„Energieeffizienzklasse – Kühlen: A++, Außengerät Schalldruckpegel: 50 dBA – im Regelbetrieb deutlich leiser. Die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz wird eingehalten. Diese besagt: In reinen Wohngebieten darf der Nachbarschaftslärm tagsüber höchstens 50 Dezibel erreichen. Nachts dürfen es maximal 35 Dezibel sein.“
Die Entscheidung
Das Amtsgericht hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, die bauliche Veränderung könne und dürfe nach § 20 Abs. 1 und Abs. 4 WEG durch einen Mehrheitsbeschluss gestattet werden. Die Installation des Geräts bewirke keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage. Auch die zweite Variante des „Bauverbots“ nach § 20 Abs. 4 WEG sei nicht einschlägig, weil Betriebsgeräusche und Kondenswasser nicht von der baulichen Veränderung selbst ausgingen, sondern von dem Betrieb, der gegebenenfalls über entsprechende Gebrauchsregelungen in den Griff zu bekommen sei.
Das Berufungsgericht ist insoweit anderer Ansicht als das Amtsgericht. Es schließt sich der im Schrifttum vorherrschenden Rechtsauffassung an, wonach die Nachteile und Risiken, die bei einem bestimmungsgemäßen Gebrauch einer technischen Anlage zu erwarten sind, bereits ursprünglichen Beschlussfassung und im Rahmen des § 20 Abs. 4 WEG zu berücksichtigen seien. Die GdWE habe zusammen mit der Gestattung durch Auflagen sicherzustellen, dass der Gebrauch nicht zu unzulässigen Beeinträchtigungen im Sinne von § 20 Abs. 4 2. Alternative WEG führe.
Fazit für den Verwalter
Die Diskussion und Beschlussfassung über die Gestattung individueller baulicher Veränderungen am Sondereigentum oder am gemeinschaftlichen Eigentum stellen den Verwalter und die GdWE vor Hausforderungen. Geht es um privilegierte bauliche Veränderungen im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG, hat jeder Eigentümer einen Gestattungsanspruch. Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen (§ 20 Abs. 2 Satz 2 WEG). Doch auch dann, wenn es – wie hier – um eine nicht privilegierte bauliche Veränderung geht, steht der GdWE eine entsprechende Direktionsbefugnis zu. Im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung können und dürfen die Eigentümer dem bauwilligen Sondereigentümer Vorgaben für die konkrete Durchführung und Benutzung machen. Umstritten ist, ob dies bei tatsächlichen Anhaltspunkten für Beeinträchtigungen durch einen bestimmungsgemäßen Gebrauch sofort geschehen muss oder nachträglich geschehen darf, nachdem die Anlage in Betrieb ist.
Ist sich der Verwalter angesichts eines Tagesordnungswunsches des bauwilligen Eigentümers unsicher, ob und inwieweit die GdWE Auflagen oder sonstige Nutzungsvorgaben treffen sollte, darf er grundsätzlich einen Rechtsanwalt mit der Klärung dieser Frage beauftragen. In der Regel wird es ebenfalls ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen und pflichtgemäß sein, wenn der Verwalter nicht nur den TOP-Wunsch des Bauwilligen in die Einladung/Tagesordnung aufnimmt, sondern für die GdWE „von Amts wegen“ die mögliche Einschaltung eines Rechtsanwalts für die GdWE auf deren Kosten zu diesem Beschlussgegenstand.
Wie jeder Beschluss muss der Gestattungsbeschlussinhalt hinreichend bestimmt genug formuliert sein. Rügt der Kläger einen unbestimmten Beschluss, kommt er damit grundsätzlich durch. Der Beschluss im Fall enthielt nur die Beschreibung des Klimasplitgerätes, jedoch keine konkreten Vorgaben. Hinreichend bestimmt, da praktikabel, wäre es beispielsweise, die beim Betrieb einzuhaltende Dezibel-Lautstärke tagsüber und in der Nacht konkret zu beziffern oder ein nächtliches Betriebsverbot (zwischen 22:00 Uhr und 7:00 Uhr) im Beschluss zu verankern.
Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte
Höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob derartige Benutzungsvorgaben zwingend im Zuge der Gestattung der baulichen Veränderungen erfolgen müssen. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit nicht eindeutig. Er spricht von der Durchführung der Maßnahme. Gestattet der Beschluss dem einzelnen Sondereigentümer eine individuelle bauliche Veränderung, führt dieser die Maßnahme durch, nicht die GdWE. Sprachlich lassen sich Benutzungsregelungen (Gebrauch) von der baulichen Maßnahme selbst abgrenzen. In pragmatischer Hinsicht könnte eine nachträgliche Beschlussfassung über konkrete Nutzungsvorgaben den Vorteil haben, dass er durch den tatsächlichen Betrieb feststehen wird, ob und inwieweit es Beeinträchtigungen, Nachteile oder gar Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorgaben gibt. Bei Klimasplitgeräten gibt es beispielsweise in Klimaschutzgesetzen der Länder einschlägige Vorschriften.
Split-Klimaanlagen bestehen aus einem Innengerät (Wärmetauscher) innerhalb des räumlichen Bereichs der Wohnung und dem Außengerät (Kompressor), die für gewöhnlich durch eine Kältemittelleitung und Strom verbunden sind. Das Innengerät fällt nicht unter § 20 WEG, sondern unter § 13 Abs. 2 WEG, jedenfalls dann, wenn es fester Bestandteil der Wohnung wird. Ein mobiles Innengerät ist kein wesentlicher Bestandteil, und darf wohnungseigentumsrechtlich gesehen gestattungsfrei aufgestellt werden.
Fazit für die Gemeinschaft
Das Landgericht Frankfurt a.M. sieht in dem Gestattungsbeschluss einen Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung, weil er keine hinreichenden Auflagen enthält, die von Beginn an sicherstellen, dass der bestimmungsgemäße Gebrauch nicht zu Beeinträchtigungen im Sinne von § 20 Abs. 4 WEG führt. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtslage ist der Zeitpunkt der Beschlussfassung, also der Beschlussergebnisverkündung in der Versammlung. Allerdings könnten nachträgliche Vorgaben durch einen ergänzenden Zweitbeschluss hinzugefügt werden, der dann seinerseits ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen müsste.
Grundsätzlich liegen Anspruchsberechtigung und Rechtsverfolgungskompetenz bei Störungen des gemeinschaftlichen Friedens bei der GdWE. Allerdings ist höchstrichterlich anerkannt, dass der einzelne Sondereigentümer allein und ohne Ermächtigung seitens der GdWE eigene Abwehransprüche geltend machen darf, wenn es konkrete tatsächliche Störungen des räumlichen Bereichs seines Sondereigentums gibt. Wegen der direkten Nachbarschaft beider Balkone wäre dies vorliegend zu bejahen. Der „Spießrutenlauf“ (Geltendmachung eines Anspruchs der Kläger gegen die GdWE auf Einwirkung gegen die störenden Miteigentümer) bliebe den Klägern also erspart.
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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