Arbeitsrecht

Kündigung in der Wartezeit - Umgehung des Kündigungsschutzes?

Der Fall

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eine Kündigung, die noch innerhalb der ersten sechs Monate ausgesprochen wurde.

Die Arbeitgeberin war zum Ablauf der sog Probezeit noch nicht ausreichend überzeugt. Da sie sich aber noch nicht dauerhaft von dem Arbeitnehmer verabschieden und ihm eine 2. Chance einräumen wollte, kündigte sie kurz vor Ablauf der 6 Monate mit einer Frist von 3 Monaten zu Monatsende.

Der Arbeitnehmer ist der Ansicht, dass die lange Kündigungsfrist zur Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes führen würde. Denn die Arbeitgeberin hätte ja mit der zweiwöchigen Frist kündigen können.

Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, dass die Verlängerung der Kündigungsfrist überwiegend im Interesse des Arbeitnehmers lag, denn sie habe ihm eine Bewährungschance geben wollen.

Die Entscheidung

Die Richter wiesen die Klage ab.

Während der „Probezeit", der ersten 6 Monate, besteht für den Arbeitgeber Kündigungsfreiheit. Der Arbeitnehmer ist während dieses Zeitraums lediglich vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt.

Eine solche treuwidrige Ausübung des Kündigungsrechts liegt zum Beispiel dann vor,
wenn sich der Arbeitgeber (zumindest vorerst) eigentlich gar nicht vom Arbeitnehmer trennen, sondern lediglich den Eintritt des Kündigungsschutzes verhindern will. Das kann angenommen werden, wenn der Arbeitgeber die Kündigung mit einer sehr langen Frist kündigt.

Hier hat zwar die Arbeitgeberin mit einer viel längeren Frist als die Mindestkündigungsfrist gekündigt. Aber das spricht nur dann für die Annahme eines Umgehungswillens, wenn das im alleinigen oder überwiegenden Arbeitgeberinteresse liegt.

Hier aber hat die Arbeitgeberin im Kündigungsschreiben ausdrücklich ausgeführt, dass der Arbeitnehmer die Probezeit nicht bestanden hat und dass sie eine Bewährungschance gewähren möchte. Zudem war sie bereit, für den Fall der Bewährung über einen anschließenden neuen Arbeitsvertrag zu sprechen. Damit hat sie überwiegend auf die beruflichen und sozialen Belange des Arbeitnehmers Rücksicht genommen.

Der Tipp

Diese Fallgestaltungen sind häufig. Wenn man sich als Arbeitgeber einmal für einen Bewerber entschieden hat und unsicher über dessen Eignung ist, will man ihm gern ein weitere Chance einräumen. Das war bislang schwierig. Nun gibt es klare Abgrenzungen. Wenn es also (fast ausschließlich) um die 2. Chance geht, ist eine lange Kündigungsfrist möglich. Das sollte man dann aber in der Kündigung ausdrücklich erwähnen und bei Erfolg die Weiterbeschäftigung anbieten. Ausschließen muss man nur noch, dass man andere, eigennützige Ziele wie z.B. Überbrückung eines Engpasses, Abschluss von Projekten oder vergebliche Suche nach Ersatz verfolgen will.

LAG Baden-Württemberg Urteil vom 6.5.2015, 4 Sa 94/14