Sind beschlossene Sonderumlagen im Zweifel sofort fällig oder bedarf es dazu des Abrufs durch den Verwalter? Diese Frage war bisher umstritten und wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) für die Praxis geklärt. Das Urteil hat höchste Praxisrelevanz für den Wohnungseigentumsverwalter.
Mit Urteil vom 15.12.2017 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 257/16 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass der Erwerber vom Wohnungs- oder Teileigentum auch dann für eine nach dem Eigentumswechsel (Grundbuchumschreibung) fällig werdende Sonderumlage auch dann haftet, wenn deren Erhebung bereits vor dem Eigentumswechsel beschlossen wurde. Fällig wäre eine Sonderumlage erst mit Abruf durch den Verwalter, es sei denn, der Beschluss beinhalte ausdrücklich einen anderen Fälligkeitszeitpunkt.
Der Fall
Die Wohnungseigentümergemeinschaft verklagt einen Sondereigentümer, dem ein Garagen-Teileigentum gehört, auf Zahlung von 2.400,00 EUR anteiliger Sonderumlage. Die Sonderumlage war im August 2014 zur Finanzierung dringender Baumaßnahmen beschlossen worden. In der Versammlungsniederschrift heißt es hierzu:
TOP Ziffer 2 Beschluss über die Baumaßnahmen:
Die dringenden Baumaßnahmen werden gemäß vorliegenden Unterlagen einstimmig beschlossen.
TOP 3 Beschluss einer Sonderumlage von bis zu 70.000,00 :
Eine Sonderumlage von 60.000,00 wurde einstimmig beschlossen.
Der Beklagte wurde im Oktober 2014 als neuer Eigentümer im Teileigentumsgrundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 11.12.2014 forderte der Verwalter den Beklagten erfolglos zur Zahlung der 2.400,00 auf. Die Zahlungsklage hatte in allen drei Instanzen Erfolg.
Die Entscheidung
Der BGH betont, dass zwischen der Erhebung und der Fälligkeit einer Sonderumlage unterschieden werden müsse. Maßgeblich für die Zahlungspflicht sei der Zeitpunkt der Fälligkeit, nicht der Zeitpunkt der Beschlussfassung (Erhebung). Sonderumlagen seien eine Ergänzung zum Wirtschaftsplan, sodass auch insoweit die gesetzliche Vorschrift des§ 28 Abs.
2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) als Spezialvorschrift gegenüber der allgemeinen Fälligkeitsregelung des§ 271 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen sei. Diese Vorschrift lautet:
Die Wohnungseigentümer sind verpflichtet, nach Abruf durch den Verwalter dem beschlossenen Wirtschaftsplan entsprechende Vorschüsse zu leisten.
Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten sei den gefassten Beschlüssen keine sofortige Fälligkeit zu entnehmen. Allein der Umstand, dass die Sonderumlage der Finanzierung dringender Baumaßnahmen diente, genüge hierfür nicht. Nur bei einem ausdrücklich im Beschlussinhalt festgelegten Fälligkeitszeitpunkt sei dieser maßgeblich ansonsten bleibe es bei dem notwendigen Abruf der Sonderumlage durch den Verwalter als spezieller gesetzlicher Fälligkeitsvoraussetzung. Vorliegend habe der Verwalter erst nach Grundbuchumschreibung die Zahlung abgerufen und somit fällig gestellt. Nicht maßgeblich sei, dass der Sonderumlagebeschluss bereits vor dem Eigentumswechsel gefasst worden sei. Der Beklagte als Erwerber sei gemäß § 10 Abs. 4 WEG an den vor Beginn seiner Mitgliedschaft gefassten Beschluss gebunden. Dies führe auch zu einem interessengerechten Ergebnis, da der Beklagte und nicht sein Rechtsvorgänger den Nutzen aus der mit der Sonderumlage finanzierten Baumaßnahme ziehe.
Fazit für den Verwalter
Sonderumlagen werden im Zweifel nicht sofort (am Tage der Beschlussfassung) fällig, sondern erst mit Abruf durch den Verwalter. Der Verwalter soll am besten einschätzen können, wie die finanzielle Lage ist und zu welchem Zeitpunkt er das Geld benötigt. Der Verwalter hat insoweit ein Beurteilungsermessen, welches er pflichtgemäß auszuüben hat. Gleichwohl betont der BGH, dass Wohnungseigentümer die Fälligkeit der Zahlungspflicht selbst festlegen dürfen. Dazu bedarf es aber einer ausdrücklichen Bestimmung im Beschluss. Fehle es daran, bleibe es bei der gesetzlichen Regelung (Abruf durch den Verwalter als gesetzliche Fälligkeitsvoraussetzung).
Das Urteil liefert gleichzeitig Anschauungsmaterial dafür, wie man Sonderumlagen nicht beschließen lassen sollte. Der eingangs dieser Anmerkung wiedergegebene Beschlussinhalt ist hart auf der Grenze zur Unbestimmtheit. Denn der maßgebliche Kostenverteilungsschlüssel wird im Beschluss nicht genannt. Die Gerichte haben der Gemeinschaft hier scheinbar eine Brücke gebaut und angenommen, dass der allgemeine Kostenverteilungsschlüssel (Miteigentumsanteile) anzuwenden sei. Vorzugswürdig dürfte es aber in der Regel sein, wenn der Verwalter im Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage den Kostenverteilungsschlüssel und den Fälligkeitszeitpunkt ausdrücklich benennt.
Ohne dass der BGH dies im Urteil erwähnt, bleibt es dabei, dass ein Erwerber für vor Eigentumsumschreibung beschlossene (erhobene) und fällige Sonderumlagen haftet, wenn eine solche Erwerberhaftung in der Gemeinschaftsordnung vereinbart ist. Derartige Vereinbarungen sind zulässig und wirksam. Verwalter müssen wissen, ob eine Erwerberhaftung vereinbart ist.
Übersicht zur Zahlungspflicht von Sonderumlagen:
Reihenfolge: Erhebung, Fälligkeit, Eigentumswechsel = Veräußerer schuldet, Erwerber nicht. Ausnahme: Vereinbarte Erwerberhaftung in der Gemeinschaftsordnung.
Reihenfolge: Erhebung, Eigentumswechsel, Fälligkeit = Erwerber schuldet
Reihenfolge: Eigentumswechsel, Erhebung, Fälligkeit = Erwerber schuldet
Dr. Jan-Hendrik SchmidtW · I · R Breiholdt Nierhaus SchmidtRechtsanwälte PartmbBHamburg www.wir-breiholdt.de