WEG-Recht

Verwalterbestellung per einstweiliger Verfügung

Ohne Verwalter ist eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) weitestgehend handlungsunfähig. Wollen sich Wohnungseigentümer auf keinen Verwalter einigen oder wird eine Beschlussfassung blockiert, kommt die Erhebung einer Beschlussersetzungsklage und bei Dringlichkeit die Inthronisierung des Verwalters per einstweiliger Verfügung infrage.

Mit Urteil vom 01.12.2023 zum gerichtlichen Aktenzeichen 11 S 12/23 entschied das Landgericht Karlsruhe, dass eine vom Amtsgericht erlassene einstweilige Verfügung rechtswidrig werden kann, wenn von ihr über viele Monate kein Gebrauch gemacht wird. Zudem ist das Landgericht der Ansicht, dass die gerichtliche Bestellung eines Verwalters im Eilverfahren für gewöhnlich auf maximal ein Jahr zu befristen ist.

Der Fall

In einer GdWE im Amtsgerichtsbezirk Weinheim fehlte ein Verwalter. Eine Eigentümerin erwirkte unter Glaubhaftmachung einer besonderen Dringlichkeit der sofortigen Amtsbesetzung eine Verwalterbestellung. Das Amtsgericht Weinheim bestellte den Verwalter mit Urteil vom 21.12.2022 für die Dauer von drei Jahren. Die Verfügungsbeklagte (GdWE) ging in Berufung. Die vor dem Amtsgericht erfolgreiche Verfügungsklägerin stellte die einstweilige Verfügung offenbar nicht zu und informierte den bestellten Verwalter auch nicht über seine Bestellung.

Die Entscheidung

Das Landgericht änderte das Urteil des Amtsgerichts ab und wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Es fehle sowohl am Verfügungsgrund als auch an einem Verfügungsanspruch. Die Verfügungsklägerin habe ihre Behauptung der Dringlichkeit selbst widerlegt, indem sie über viele Monate von der einstweiligen Verfügung keinen Gebrauch gemacht habe. Ihr Einwand, den Ausgang der Berufungsinstanz abwarten zu wollen, um nicht in das verschuldensunabhängige Schadenersatzrisiko aus § 945 ZPO zu „tappen“, akzeptierte das Landgericht nicht.

Ferner sei die amtsgerichtliche Entscheidung auch deshalb rechtlich angreifbar, weil kein Anspruch auf eine dreijährige Bestellung bestanden habe. Schon im Hauptsacheverfahren im Wege der Beschlussersetzung dürfe eine gerichtliche Verwalterbestellung nur für maximal zwei Jahre erfolgen. Im Eilverfahren müsse die Bestellungszeit noch kürzer sein, regelmäßig maximal ein Jahr, um die Hauptsache nicht vorwegzunehmen.

Fazit für den Verwalter

Der schlüssige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zwecks gerichtlicher Verwalterbestellung setzt voraus, dass der Antragsteller mindestens einen Verwalter benennt, der zur Annahme des Verwalteramtes bereit ist. Erklärt sich ein Verwalter bereit, muss seine Bereitschaft im Antrag glaubhaft gemacht werden. Dies kann über eine eidesstattliche Versicherung geschehen. Der Erlass der einstweiligen Verfügung durch das Gericht für die Verwalterbestellung noch nicht herbei. Der Verwalter muss die Bestellung annehmen, was voraussetzt, dass er von dem Erlass der einstweiligen Verfügung Kenntnis erlangt. Für die Zustellung einer einstweiligen Verfügung sind die Parteien bzw. ist derjenige zuständig, der die Verfügung erwirkt hat. Im Fall hatte offenbar der Verwalter selbst nicht mehr nachgehakt, wie es mit seiner Bestellung aussieht.

Zumeist legt das Gericht bei seiner Entscheidung über die Verwalterbestellung zugleich Laufzeit und Vergütung fest. Hier gilt für die gerichtliche Bestellung nichts anderes als für die Bestellung durch Eigentümerbeschluss. Der bestellte Verwalter ist befugt, zeitnah eine Eigentümerversammlung einzuberufen, um eine andere Vergütung oder möglicherweise auch den in der einstweiligen Verfügung noch nicht behandelten Verwaltervertrag durch Mehrheitsbeschluss legitimieren zu lassen.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Ein Beschluss über die Verwalterbestellung muss auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage erfolgen. Keinen Unterschied macht es im Ausgangspunkt, ob der Bestellungsbeschluss von den Eigentümern oder von einem Gericht gefasst wird. In der Regel sind drei Vergleichsangebote erforderlich. Gelingt es trotz nachweislicher Bemühungen nicht, drei Anbieter zu finden, wird es genügen, gegenüber dem Amtsgericht glaubhaft zu machen, nur einen Kandidaten ausfindig gemacht zu haben, der zur Amtsübernahme bereit ist. Unter Umständen kann auch die besondere Dringlichkeit der Verwalterbestellung die Einholung weiterer Angebote entbehrlich machen.

Soweit das Landgericht ausführt, die Bestellung des Verwalters im Wege der einstweiligen Verfügung müsse vorbehaltlich einer Neuwahl eines Verwalters durch die Wohnungseigentümer erfolgen, ist das eine Selbstverständlichkeit. Dieser Vorbehalt kann, muss aber nicht in den Tenor der gerichtlichen Entscheidung aufgenommen werden. Die gerichtliche Bestellung im Wege der Beschlussersetzung durch Urteil oder – im Eilverfahren – Beschluss lässt sich juristisch als Erstbeschluss werten. Das Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümer führt dazu, jederzeit einen ergänzenden oder abändernden Zweitbeschluss zu fassen, um einen anderen Verwalter zu bestellen. Dass ein Zweitbeschluss auf schutzwürdige Belange aus dem Erstbeschluss Rücksicht nehmen muss, bedeutet nicht, dass es der Mehrheit verwehrt wäre, zeitnah einen anderen Verwalter zu bestellen. Rechtswidrig, möglicherweise sogar nichtig wäre hingegen ein aufhebender Zweitbeschluss, der die gerichtliche Entscheidung torpediert. Der Organbesetzungszwang ist zu achten. Die Abberufung des gerichtlich eingesetzten ist somit nur einhergehend mit der Bestellung eines anderen Verwalters rechtens.

Im Wohnungseigentumsrecht gilt der Vorbefassungsgrundsatz. Grundsätzlich müssen daher Beschlussgegenstände in die Versammlung gebracht werden, bevor ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschlussersetzungsklage oder eine Regelungsverfügung im Eilverfahren besteht. Anders verhält es sich in Fällen reiner Förmelei, wo also bereits vor der Versammlung feststeht oder absehbar ist, dass der Beschlussantrag keine Mehrheit finden wird. Andauernder Streit, Stimmverhältnisse (Minorität, Stimmenpatt) oder Ablehnung im Vorfeld können dies belegen. Dann darf direkt zu Gericht gegangen werden.

Fazit für die Gemeinschaft

Nach Ansicht des Landgerichts war trotz der gerichtlichen Verwalterbestellung die GdWE ohne Verwalter, da der bestellte Verwalter nicht informiert und dadurch nicht in die Lage versetzt worden war, das Amt anzunehmen. Seine im Vorfeld erklärte und vor Gericht glaubhaft gemachte Bereitschaft zur Amtsübernahme genügte dem Landgericht nicht. Das ist formalistisch, dogmatisch aber wohl richtig. Vor Gericht wird die verwalterlose GdWE von allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich vertreten mit Ausnahme des Verfahrensgegners. Wie bzw. über wen das Landgericht die Zustellungen in der Berufungsinstanz bewirkte, ist nicht mitgeteilt.

Wie wäre es nach dem neuen WEG2020 (WEMoG)

Der Fall spielte nach neuem Recht. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wurde im Jahr 2022 gestellt. Das Amtsgericht entschied durch Urteil vom 21.12.2022. Da durch Urteil und nicht durch gerichtlichen Beschluss entschieden wurde, war vor dem Amtsgericht mündlich verhandelt worden.

 

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de