Der Fall
Die Parteien des Rechtsstreits waren Eigentümer benachbarter Grundstücke. Auf einem der Grundstücke befand sich unweit der gemeinsamen Grundstücksgrenze eine Pappel, deren Wurzeln in das Grundstück des Nachbarn hineinwuchsen und dort Wurzelbrut gebildet hatten. Dadurch wurden in der Garageneinfahrt des Nachbarn Pflastersteine angehoben. Der betroffene Eigentümer forderte seinen Nachbarn auf, die Pappel zu fällen bzw. die eingedrungenen Wurzeln zu beseitigen sowie Vorsorge gegen künftige Beeinträchtigungen zu treffen. Dies lehnten die Eigentümer des Pappelgrundstücks ab. Erst während des Prozesses erklärten sie unter dem Vorbehalt einer behördlichen Genehmigung ihre Bereitschaft zum Einbau einer Wurzelsperre und die Unebenheit des Pflasters zu beseitigen, was jedoch dann nicht umgehend geschah. Daraufhin verlangten die betroffenen Grundstückseigentümer von den Nachbarn die Zahlung von 240 Euro für die Reparatur ihres Pflasters und 1.800 Euro für das Einbringen einer Wurzelsperre. Das Berufungsgericht wies die Klage ab, da es keine Rechtsgrundlage dafür gäbe. Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB komme nicht in Betracht, weil der betroffene Eigentümer und Kläger den Nachbarn nicht durch Selbstvornahme der Arbeiten von deren Verbindlichkeit aus § 1004 Abs. 1 BGB befreit habe. Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB scheitere daran, dass § 281 BGB auf einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB weder unmittelbar noch analog anwendbar sei.
Die Entscheidung
Der BGH folgt der Entscheidung der Vorinstanz. Die Klage hat somit keinen Erfolg. Dem Grundstückseigentümer stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch gegen seine Nachbarn zu. Denn der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB sei nur auf Beseitigung der Störung gerichtet, nicht aber auf die mit der Klage begehrte Zahlung eines Kostenvorschusses. Zwar kann nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ein Grundstückseigentümer die Störung und entstandene Schäden auf seinem Grundstück selbst beseitigen und dann nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB von dem Störer Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. Dies setze aber voraus, dass der betroffene Eigentümer die zur Schadensbeseitigung erforderlichen Arbeiten tatsächlich durchführt. Hieran fehle es aber im vorliegenden Fall, so der BGH.
Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheide aus, da es an einem schuldhaften Verhalten des Nachbarn fehle. Der BGH führt weiter aus, dass ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB ebenfalls nicht in Betracht komme. Zwar könne in bestimmten Fällen gemäß § 281 BGB nach erfolglos gesetzter Frist Ersatz in Geld verlangt werden. Laut dem Bundesgerichtshof sei diese Vorschrift aber nicht auf den Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB anwendbar. Der betroffene Eigentümer werde vielmehr auch ohne direkten Zahlungsanspruch geschützt durch verschiedene Möglichkeiten der Durchsetzung seiner Ansprüche. Entweder könne der betroffene Eigentümer die Beeinträchtigungen und Schäden selbst beseitigen und von seinem Nachbarn Erstattung der angefallenen Kosten verlangen. Sollte er das mit der Vorfinanzierung der Kosten verbundene Risiko nicht eingehen wollen, könne der Eigentümer gemäß § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung der Störung klagen und das Urteil dann im Wege der Ersatzvornahme vollstrecken.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. März 2023, Az. V ZR 67/22
Vorinstanzen:
LG Cottbus, Urteil vom 6. April 2022, Az. 5 S 20/21
AG Cottbus, Urteil vom 23. Februar 2021, Az. 43 C 365/18