Mit Urteil vom 11.12.2015 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 80/15 entschied der BGH, dass als werdender Wohnungseigentümer nur anzusehen ist, wer neben einem durch Vormerkung gesicherten Eigentumserwerbsanspruch den Besitz an der erworbenen Wohnung durch freiwillige Übergabe seitens des Veräußerers (Bauträgers) erlangt hat. Verbotene Eigenmacht des Erwerbers macht ihn nicht zu einem werdenden Eigentümer mit der Folge, dass für die fragliche Wohnung der Bauträger weiterhin Hausgeld schuldet.
Der Fall
Der beklagte Aufteiler war Eigentümer eines mit einem Altbau bebauten Grundstücks, das er in fünf Eigentumswohnungen aufteilte. Er verkaufte die Wohnungen 1 und 2 an eine Erwerberin, die Wohnung 3 an eine zweite und die Wohnungen 4 und 5 an eine dritte Erwerberin. In den einzelnen Erwerbsverträgen verpflichtete er sich zur Totalsanierung des gesamten Gebäudes. Zu Gunsten aller Erwerberinnen wurden Auflassungsvormerkungen in das Grundbuch eingetragen. Die Wohnungen 2, 3 und 5 wurden übergeben. Die Wohnungen 1 und 4 wurden nicht übergeben, aber von den jeweiligen Erwerberinnen eigenmächtig in Besitz genommen, in dem sie dort einige Einrichtungsgegenstände unterbrachten, obwohl die Wohnungseingangstüren fehlten. Zu diesem Zeitpunkt fand eine Eigentümerversammlung statt, in der Sonderumlagen beschlossen wurden. Die WEG verklagte den Bauträger für die Wohnungen 1 und 4 auf Zahlung. In den Wohnungsgrundbüchern ist überall noch der beklagte Aufteiler als Eigentümer eingetragen.
Die Entscheidung
Das Landgericht Karlsruhe gab der Zahlungsklage statt. Der BGH bestätigt die Entscheidung. Für die Wohnungen 1 und 4 waren die Erwerberinnen noch nicht als werdende Wohnungseigentümerinnen anzusehen. Diesbezüglich hatten sie noch keine gesicherte Erwerbsposition, da es an der Übergabe der Wohnungen fehlte. Übergabe bedeute so der BGH die freiwillige unmittelbare Besitzverschaffung seitens des Veräußerers. Daran fehle es, wenn Erwerber sich den Besitz an der erworbenen Wohnung durch verbotene Eigenmacht verschafften.
In grundsätzlicher Hinsicht bestätigt der BGH einmal mehr, dass folgende drei Voraussetzungen erforderlich sind für die Entstehung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft: 1. Abschluss eines wirksamen Erwerbsvertrages (z. B. Bauträgervertrages). 2. Eintragung einer Auflassungsvormerkung (nicht notwendig in den bereits angelegten Wohnungsgrundbüchern; Eintragung im ungeteilten Grundbuch genügt). 3. Übergabe an den Erwerber. Mit dem Eintritt dieser drei Voraussetzungen entsteht der rechtsfähige Verband, der ab diesem Zeitpunkt auch eigene Hausgeldansprüche geltend machen kann. Derjenige Erwerber, in dessen Person die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen, wird Teil der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Wegen der vom BGH anerkannten vorverlagerten Anwendung der Vorschriften des Wohnungseigentumsrechts schuldet er mithin beschlossenes Hausgeld. Ferner hat er das Stimmrecht und daran gekoppelte Anfechtungsrecht bei Beschlussfassungen. Der veräußernde Eigentümer büßt diese mitgliedschaftliche Rechtsstellung ein, schuldet aber umgekehrt auch kein Hausgeld mehr. Zu einer gesamtschuldnerischen Haftung von Verkäufer und Erwerber kommt es nicht.
Fazit für den Verwalter
In der Gründungsphase von Wohnungseigentum müssen Verwalter stets prüfen und am besten dokumentieren, wann die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft entstand. Über das Datum von Erwerbsvertrag (Bauträgervertrag) und Eintragung der Auflassungsvormerkung gibt das Grundbuch Auskunft. An einem solchen öffentlichen Register fehlt es hingegen bezüglich des Datums der Besitzübergabe. Hier sind also Recherchen in tatsächlicher Hinsicht erforderlich, die der BGH für den rechtsfähigen Verband aber als zumutbar betrachtet (Rn 14 des Urteils). Im Zweifel so betont der BGH (Rn 16), sei die Grundbucheintragung maßgeblich und daher der Veräußerer (Bauträger) als Wohnungseigentümer anzusehen. Bei einer gegen ihn gerichteten Zahlungsklage habe er darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass die Voraussetzungen einer Übergabe an den Erwerber bereits eingetreten sind.
Beauftragt der Verwalter einen Rechtsanwalt mit der Beitreibung von Hausgeldforderungen während der Gründungszeit einer Wohnungseigentümergemeinschaft, sollte er vorsorglich darauf hinweisen, dass die Grundsätze der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft zu berücksichtigen sind.
Der BGH prüft die Voraussetzungen einer werdenden Wohnungseigentümermitgliedschaft objektbezogen und nicht personenbezogen. Daher war es nicht maßgeblich, dass die Erwerberinnen der Wohnungen 1 und 4 bereits die Wohnungen 2 und 5 übergeben erhalten hatten. Dies machte sie nur insoweit zu werdenden Wohnungseigentümerinnen. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Wohnungen blieb hingegen der verklagte Veräußerer (Bauträger) Hausgeldschuldner.
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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