WEG-Recht

Zwei Schmuckstücke zum Valentinstag – Anhänger einer fairen Kostenverteilung kommen immer mehr auf ihre Kosten

Am Valentinstag hat der Bundesgerichtshof (BGH) zwei Urteile zu den Möglichkeiten der Änderung von Kostenverteilungsschlüsseln in Eigentümergemeinschaften veröffentlicht. Sie betreffen § 16 Abs. 2 Satz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Der eine Fall betrifft eine Wohnanlage in Düsseldorf, die aus vielen Wohnungen und drei Gewerbeeinheiten besteht. Der zweite Fall betrifft eine Wohnanlage mit Tiefgarage im Amtsgerichtsbezirk Clausthal-Zellerfeld und gelangte über das Landgericht Braunschweig zum BGH.

Im letzten Newsletter berichteten wir über die durch § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG neu eingeführte Beschlusskompetenz zur Aufhebung einer Kostenbefreiungsvereinbarung (BGH: die Beschlusskompetenz aus § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG deckt auch die Beendigung einer vereinbarten Kostenbefreiung). Die beiden heute präsentierten Entscheidungen knüpfen zum Teil daran an, betreffen aber weitere Regelungsbereiche.

Die Fälle

Der Fall aus Düsseldorf: die Klägerinnen sind die Teileigentümerinnen der drei im Erdgeschoss des Hauses liegenden Büroeinheiten. In den Obergeschossen befinden sich 30 Wohnungen, die teilweise gleich groß sind wie die Gewerbeeinheiten. Bei der Begründung von Wohnungseigentum durch Teilungserklärung (TE) aus dem Jahr 1984 multiplizierte der teilende Eigentümer die Miteigentumsanteile der drei Gewerbeeinheiten mit 0,25. Das hat zur Folge, dass der in der TE ausgewiesene Miteigentumsanteil (MEA) bezogen auf die Grundfläche bei den Wohnungen etwa viermal größer ist als bei den Gewerbeeinheiten. 1/100 MEA entspricht also bei den Wohnungen etwa 25 m², bei den Gewerbeeinheiten dagegen etwa 100 m². In der Eigentümerversammlung vom 07.09.2021 beschloss die Gemeinschaft, dass ab dem 01.01.2022 alle Kosten für die Häuser, die aktuell nach MEA verteilt werden, nach beheizter Wohnfläche (ohne Balkone/ Loggien) verteilt werden und diese Kostenverteilung auch die Zuführung zu der Erhaltungsrücklage betrifft. In derselben Versammlung wurden auf dieser Grundlage der Wirtschaftsplan 2022 und die Jahresabrechnung 2020 genehmigt. Hiergegen richtet sich die Anfechtungsklage, die darauf gestützt wird, der Beschluss sei mangels Beschlusskompetenz ganz oder – im Hinblick auf die Zuführung zur Erhaltungsrücklage – zumindest teilweise nichtig, völlig unbestimmt und in jedem Falle rechtswidrig, da der neue Schlüssel zu einer Vervierfachung der Kostentragung der Einheiten der Klägerinnen führe. Das Amtsgericht sah das auch so, das Landgericht Düsseldorf sah es anders.

Der Fall aus Clausthal-Zellerfeld: die Klägerin ist Mitglied der beklagten GdWE, zu der eine unterirdische Tiefgarage mit 15 Stellplätzen gehört, deren Flachdach, auf dem sich eine gemeinschaftliche Grünanlage befindet, undicht ist. Ihrer Wohnung ist kein Sondernutzungsrecht an einem Stellplatz zugeordnet. Zu den Kosten der Tiefgarage enthält die Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 1971 folgende Vereinbarung:

„Die Kosten für die Instandhaltung sowie Rücklagen für alle Fälle eventueller Erneuerungen und erforderlicher Reparaturen des gemeinschaftlichen Eigentums in und an der Garagenhalle einschließlich des Wagenwaschraumes werden im Verhältnis der Wohnungseigentümer ausschließlich von den Berechtigten der Einstellplätze im Garagentrakt […] gemeinsam getragen […]“ 

In einer Versammlung im April 2022 wurde die Sanierung des Flachdachs oberhalb der Tiefgarage auf Kosten sämtlicher Sondereigentümer nach Miteigentumsanteilen beschlossen, finanziert zu einem Teil aus der allgemeinen Erhaltungsrücklage und im Übrigen über eine Sonderumlage nach MEA. Das Amtsgericht hatte der Anfechtungsklage stattgegeben, das Landgericht Braunschweig bestätigte dies und hielt die Beschlüsse mangels Beschlusskompetenz für nichtig. 

Die Entscheidungen 

Der BGH bestätigt das Urteil des Landgerichts Düsseldorf. Der positive Mehrheitsbeschluss sei nicht nur von der gesetzlichen Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG getragen, sondern auch inhaltlich rechtmäßig. Richtig sei zwar, dass die Zuführung zur Rücklage kein Geldabfluss im Sinne einer Kostenposition sei. Gleichwohl sei die Beschlusskompetenz zu bejahen, da die Ansammlung des Rücklagenvermögens zweckgerichtet in spätere Ausgaben der Erhaltung erfolge. Die Änderung des Verteilungsschlüssels benachteilige die Klägerinnen nicht unbillig. Andersherum werde ein Schuh draus: die Gewerbeeinheiten seien durch die unterdimensionierten Miteigentumsanteile von Beginn an zu Unrecht privilegiert worden.

Das zweite hier besprochene Urteil hob der BGH unter Zurückverweisung der Akte an das Berufungsgericht auf, damit das Landgericht Braunschweig die notwendigen Feststellungen für die weitere Beurteilung des Falles treffen kann. Sehe die Gemeinschaftsordnung - wie hier bezüglich der Tiefgarage - eine objektbezogene Kostentrennung vor, widerspräche es in der Regel ordnungsmäßiger Verwaltung, durch Beschluss auch die übrigen, vom Nutzungsvorteil ausgeschlossenen Einheiten an den Kosten der Erhaltung der Tiefgarage zu beteiligen. Mangels Beschlusskompetenz nichtig sei der Beschluss allerdings nicht, da der BGH bereits in einer früheren Entscheidung – was das Landgericht Braunschweig allerdings seinerzeit noch nicht absehen konnte – klargestellt habe, dass Kostenbefreiungen in der Gemeinschaftsordnung nicht „mehrheitsbeschlussfest“ seien.

Fazit für den Verwalter

Die Beschlusskompetenz aus § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG und der der Mehrheit bei der Abstimmung eröffnete Ermessensspielraum sind weit. Die Beschlusskompetenz schließt die Änderung des Schlüssels über die Zuführung in die Erhaltungsrücklage oder sonstige Rücklagen ein. Die Beschlusskompetenz macht vor der Beseitigung oder Einräumung einer Kostenbefreiung nicht halt. Ferner umfasst der Anwendungsbereich der Vorschrift – wie im ersten Fall – die generelle Änderung des Kostenverteilungsschlüssels als auch – wie im Braunschweiger Fall – die abweichende Kostenverteilung im Einzelfall einer konkreten Sanierung.

Die Änderung von Kostenverteilungsschlüsseln sollte der Verwalter sicherheitshalber in der Einladung/Tagesordnung ankündigen. Es bietet sich an, die betreffenden Kostenpositionen, aufzulisten oder beispielsweise in einer als Anlage beigefügten Unterlage (Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung) kenntlich zu machen. Dies steigert die notwendige Ankündigung des Beschlussgegenstandes und später bei der Beschlussfassung die hinreichende Bestimmtheit des Beschlussantrags. Im Fall aus Düsseldorf waren die Kostenpositionen, um deren Änderung es ging, zumindest bestimmbar.

Im Fall, der aus Braunschweig zu ihm gelangte, merkt der BGH an, dass die erstmalige mangelfreie Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums keine bauliche Veränderung ist, sodass § 16 Abs. 3 WEG, der eine Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG insoweit ausschließt, nicht eingreife (Rn. 10 des Urteils).

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Überstimmte Eigentümer, die mit der beschlossenen Änderung oder abweichenden Verteilung von Kosten nicht einverstanden sind, sind gehalten, rechtzeitig Anfechtungsklage zu erheben und ihre Beanstandungen gegen die angegriffenen Beschlüsse innerhalb der Klagebegründungsfrist vorzutragen. Andernfalls erwachsen die Mehrheitsbeschlüsse in Bestandskraft. Eigentümer, die mit ihrem Beschlussantrag, eine Änderung der Kostenverteilung herbeizuführen, auf Ablehnung stoßen, können eine Beschlussersetzungsklage erheben. Diese ist nicht fristgebunden, sollte aber zeitnah nach der Eigentümerversammlung, in der die Miteigentümer mit der Thematik befasst wurden, erhoben werden.

(Nur) Ein Beschluss, der eine generelle Änderung aller Kostenverteilungsschlüssel vorsieht, ist mangels Beschlusskompetenz, eines Verstoßes gegen zwingende Vorgaben der Heizkostenverordnung und/oder infolge absoluter Undurchführbarkeit nichtig. Darum ging es hier nicht. Es war hinreichend ersichtlich, welche Kostenpositionen betroffen sind und wie der neue Schlüssel lautet. Bei der Beschlussauslegung ist nicht nur auf den reinen Beschlussantrag abzustellen; auch weitergehende Angaben, etwa bezüglich anderer Beschlussfassungen in derselben Versammlung, dürfen im Rahmen der objektiven Auslegung berücksichtigt werden, da sie bei Lektüre der Versammlungsniederschrift jedermann ersichtlich sind.

In Rn. 7 des Urteils bezüglich des Braunschweiger Falles führt der BGH aus, dass der Begriff der Instandhaltung in einer Gemeinschaftsordnung (GO) in der Regel alle Erhaltungsmaßnahmen umfasse, wenn die GO – wie dort – nicht zwischen Instandhaltung und Instandsetzung unterscheide. In der Rechtsanwendung muss die jeweilige Gemeinschaftsordnung, um die es geht, geprüft werden. Der Teufel steckt häufig im Detail – auch für den objektiven unbefangenen Leser.

Fazit für die Gemeinschaft

In beiden Gemeinschaftsordnungen war keine Bildung von Untergemeinschaften vereinbart. In den Jahren der Aufteilungen (1971 und 1984) war das in der notariellen Praxis noch nicht Usus. Im Fall aus Clausthal-Zellerfeld war immerhin eine Kostentrennung vereinbart und die Kostentragung bezüglich der Erhaltung der Tiefgarage den diesbezüglichen Einheiten bzw. Sondernutzungsberechtigten zugewiesen, in dem Fall aus Düsseldorf nicht einmal das. Eine Beschlusskompetenz zur Bildung von Untergemeinschaften verleiht § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG nicht. Lediglich die dauerhafte Änderung der Kostenverteilung und die einmalige Durchbrechung des unverändert fortgeltenden Kostenverteilungsschlüssels mit abweichender Verteilung („Änderung im Einzelfall“) sind von der Vorschrift gedeckt. Eine vom Gesetz oder der Gemeinschaftsordnung abweichende Änderung der Zuständigkeit (Erhaltungslast) oder des Stimmrechts (Abschaffung oder Einführung eines Blockstimmrechts) ist vereinbarungsbedürftig. Anderes gilt, falls in der Gemeinschaftsordnung eine passende Öffnungsklausel vereinbart ist, die auch diesbezüglich eine Änderung der rechtsgeschäftlich erteilten Beschlusskompetenz unterstellt.

Eine in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte Kostentrennung zwischen verschiedenen Gebäuden oder Bereichen eines Gebäudekomplexes kann durch Mehrheitsbeschluss geändert und sogar rückgängig gemacht werden. Im zweiten Fall hier war dies der Sache nach geschehen, weil man durch die Kostenverteilung nach MEA sämtliche Sondereigentumseinheiten in die Kostentragung einbezog. Ohne einen sachlichen Grund für einen solchen (Rück-)Schritt ist ein solcher Beschluss wirksam, aber rechtswidrig. Wird er angefochten, ist die Klage in der Regel erfolgreich. Die Tatsache, dass die Eigentümer von Wohnungen ohne Tiefgaragenstellplatz eine grün bepflanzte Rasenfläche oberhalb der Tiefgarage sehen (optisches Erscheinungsbild) und möglicherweise mit nutzen dürfen, dürfte keinen ausreichenden sachlichen Grund darstellen, um sie in die Kostenverteilung einzubinden. Hierzu mussten sich Landgericht und BGH rechtlich nicht äußern.

 

Dr. Jan-Hendrik Schmidt 
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt 
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de