Die angekündigten Novellierungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sowie der EU-Gebäuderichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) zeigen: Der finanzielle Aufwand für energetische Sanierung im Gebäudebestand wird weiter steigen. Wenn z. B. die 65-Prozent-EE-Vorgabe – d. h. ab 2024 eingebaute Heizungen müssen zu mind. 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden – oder die EU-Forderung nach Energieeffizienzklasse D als Mindeststandard für alle Gebäude bis 2033 umgesetzt werden sollen, müssen Gebäudeeigentümer deutlich mehr investieren und sanieren als bisher angenommen.
Blitzumfrage liefert ernüchternde Zahlen
Um herauszufinden, ob WEG solche Maßnahmen überhaupt finanzieren können, hat der VDIV Deutschland im März dieses Jahres eine Blitzumfrage bei rund 1.600 Unternehmen durchgeführt. Das Ergebnis: Die befragten Immobilienverwaltungen geben mit großer Mehrheit (96 Prozent) an, dass die Rücklagen in den von ihnen betreuten Wohnungseigentümergemeinschaften nicht hoch genug seien, um die Wohngebäude umfassend energetisch sanieren zu können. 88 Prozent der befragten Immobilienverwaltungen geben an, vor dem Hintergrund zukünftiger Sanierungsaufgaben, den Gemeinschaften eine Erhöhung der Erhaltungsrücklagenzahlungen vorzuschlagen. Im Durchschnitt soll die Erhöhung bei rund 59 Prozent liegen. Gleichzeitig sehen mehr als 90 Prozent die Gefahr, dass einzelne Eigentümerinnen und Eigentümer finanziell nicht in der Lage sein werden, deutlich höhere Rücklagen bzw. eine entsprechende Sonderumlage zu zahlen.
85 Prozent der befragten Unternehmen gaben zudem an, über zu wenig Personal zu verfügen, um energetische Sanierungsmaßnahmen begleiten und umsetzen zu können. Über 58 Prozent gehen davon aus, dass ihr Unternehmen dafür nicht ausreichend qualifiziert ist und begründen dies mit dem entsprechend fehlendem Fachpersonal.
Was ist zu tun?
„Die Ergebnisse sind alarmierend. In Zeiten steigender Zinsen und hoher Inflation kommen die Sanierungspläne der Bundesregierung zur Unzeit. Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass Wohnungseigentümer die finanziellen Mittel nicht aufbringen können. Am Ende steht womöglich der Notverkauf des lang ersehnten Eigentums“, so VDIV Deutschland-Geschäftsführer Martin Kaßler.
„Der Einbau eines neuen Heizsystems macht zudem nur Sinn, wenn dieser in ein energetisches Gesamtkonzept des Wohngebäudes integriert wird. Ein entsprechend kostenfrei zur Verfügung stehender Sanierungsfahrplan, wie im Koalitionsvertrag 2021 angekündigt, würde die dann zu erwartenden Kosten benennen und zur Versachlichung der Diskussion beitragen. Bis heute fehlt jedoch jegliche Umsetzung.“
„Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass an zwei Stellschrauben gedreht werden muss. Zum einen ist es notwendig, die Umsetzungszeiträume von GEG und EPBD zu strecken. Zum anderen müssen bestehende Förderprogramme und Zuschüsse deutlich aufgestockt und neue steuerliche Abschreibmodelle aufgelegt werden. Insoweit bleibt abzuwarten, ob die kürzliche Ankündigung der Bundesregierung, bei dieser Mammutaufgabe tatsächlich „niemanden im Stich“ lassen zu wollen, Realität werden wird“, so VDIV-Geschäftsführer Martin Kaßler abschließend.
Die Ergebnisse der Umfrage können Sie hier kostenfrei abrufen: vdiv.de/publikationen
Zum Hintergrund:
Rund 10 Millionen Wohnungen, etwa 23 Prozent aller Wohnungen in Deutschland, liegen in Wohnungseigentümergemeinschaften. Bereits 1977 gab sich Deutschland mit der Wärmeschutzverordnung (WSVO), die maximal zulässige Wärmedurchgangskoeffizienten für Außenbauteile festlegte, erste rechtliche Richtlinien für den Klimaschutz in Gebäudebestand. Seitdem hat es regelmäßig Aktualisierungen und neue Vorschriften gegeben – zuletzt durch Ukraine-Krieg und Klimakrise so häufig und gleichzeitig kurzfristig in der Umsetzung wie nie zuvor. Diese sorgen für große Herausforderungen für den Gebäudebestand, der zu ca. 36 Prozent unsaniert, zu ca. 51 Prozent teilsaniert und nur zu etwa 4 Prozent vollsaniert ist (rund 8 Prozent sind Neubau). Die Sanierungsrate liegt seit 2005 praktisch unverändert bei etwa 1 Prozent pro Jahr, in WEG noch deutlich darunter.