WEG-Recht

An der langen Leine? Grenzen zulässiger Mehrheitsbeschlüsse zur Hundehaltung

Der Fall

Mit Urteil vom 08.05.2015 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 163/14 entschied der BGH über folgenden Mehrheitsbeschluss, der in einer aus 6 Wohnungen bestehenden WEG in Schleswig-Holstein gefasst wurde: „Hunde der Eigentümer und Mieter dürfen bis auf Widerruf auf den Rasenflächen spielen. Die Rasenflächen sind jedoch kein Hundeklo, sollten Hunde dennoch versehentlich auf den Rasen koten, so ist dieser Kot unverzüglich und sorgfältig durch den Hundebesitzer zu entfernen. In keinem Fall dürfen Hunde der Bewohner Gäste oder Mitbewohner z. B. durch Anspringen belästigen."

Zur Teilungserklärung gehört als Anlage ein Lageplan, in dem eine Rasenfläche mit Spielgeräten eingezeichnet ist. Zuletzt nutzte lediglich ein Mieter die in Rede stehende Rasenfläche zum Spielen mit seinem kleinen Hund. Dieser fällt nicht in den Anwendungsbereich des Schleswig-Holsteinischen Gefahrhundegesetzes (GefHG). Der Kläger hat sich gegen diesen Mehrheitsbeschluss gewehrt und in allen drei Instanzen verloren. Der Kläger hielt den Beschluss mangels Beschlusskompetenz für nichtig, jedenfalls aber für rechtswidrig, da der Mehrheitsbeschluss seiner Ansicht nach einem ordnungsmäßigen Gebrauch im Sinne von § 15 Abs. 2 WEG widersprach. Die geltende Hausordnung enthielt ein Verbot der Tierhaltung außerhalb der Wohnung.

Die Entscheidung

In mustergültiger Weise arbeitet der BGH die rechtlichen Rahmenbedingungen ab, vor allem die Voraussetzungen und Grenzen einer Ermessensentscheidung der Mehrheit.

Zunächst äußert sich der BGH kurz zu dem vom Kläger behaupteten formellen Beschlussmangel (Einladungsfehler). Der vom Verwalter in der Einladung angekündigte TOP 4 „Klarstellung der Beschlüsse zur Hundehaltung" war ausreichend. Die Hundehaltung war in den letzten Jahren ein Dauerthema, so dass jeder Eigentümer aufgrund der schlagwortartigen Ankündigung erkennen konnte, worum es in der Versammlung gehen würde (Rn 9-12 der Urteilsgründe). In der Sache selbst war der Mehrheitsbeschluss ebenfalls in Ordnung.

Die Beschlusskompetenz fehlte nicht. § 15 Abs. 2 WEG gestattet es Wohnungseigentümern, über den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums mit einfacher Stimmenmehrheit zu beschließen, soweit nicht eine Vereinbarung nach § 15 Abs. 1 WEG (also die Teilungserklärung) einem solchen Mehrheitsbeschluss entgegensteht. An einer solchen entgegenstehenden Regelung (Vereinbarung) in der Teilungserklärung fehlte es. Die Zeichnungen im Lageplan konnten allenfalls als unverbindlicher Nutzungsvorschlag verstanden werden, nicht aber als rechtsverbindliche Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter (Rn 6).

Entgegen der Argumentation des Klägers konnte der Beschluss auch nicht als Begründung eines Sondernutzungsrechts an der fraglichen Rasenfläche verstanden werden. In der Tat erfordert die Begründung eines Sondernutzungsrechts eine Vereinbarung aller Eigentümer. Darum ging es aber vorliegend nicht. Es wurde lediglich beschlossen, dass Hunde auf den Rasenflächen spielen dürfen, also auch unangeleint. Dies bewirkte keinen faktischen Ausschluss des Mitgebrauchs für andere Eigentümer, selbst wenn diese möglicherweise Angst vor Hunden haben sollten. Derartige Überlegungen seien keine Frage der Beschlusskompetenz, sondern der Ermessensausübung (Rn 7).

Das in der Hausordnung enthaltene Verbot der Tierhaltung außerhalb der Wohnung stand der Beschlusskompetenz bereits deshalb nicht entgegen, weil mit dem Mehrheitsbeschluss nicht eine solche Tierhaltung, sondern lediglich das Spielen von Hunden auf der Rasenfläche erlaubt worden sei.

Der BGH stellt fest, dass sich der Beschluss in den Grenzen des den Wohnungseigentümern eingeräumten Ermessensspielraums hielt (Rn 15 ff.). Der BGH listet insoweit in praxisrelevanter Weise auf, welche Umstände bei einer Ermessensausübung zu berücksichtigen sind und welche Grenzen die Mehrheit beachten muss.

Eine zwingende Grenze stellen zunächst gesetzliche Vorschriften dar. Vorliegend fielen die fraglichen Hunde aber nicht in den Anwendungsbereich des Schleswig-Holsteinischen Gefahrhundegesetzes. Gefährliche Hunde im Sinne von § 3 Abs. 2 und 3 GefHG gab es in der Wohnanlage nicht (Rn 17).

Die Entscheidung, ob und wenn ja in welchen Grenzen eine Anleinpflicht für Hunde gelten soll, unterliegt der Ermessensentscheidung der Mehrheit. Hier verbietet sich eine pauschale Festlegung. Vielmehr sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalles maßgeblich, u. a. die örtlichen Verhältnisse der Wohnungseigentumsanlage, die Zusammensetzung der WEG, die Anzahl der Hunde einschließlich ihres Verhaltens gegenüber Dritten sowie das Freizeitverhalten der Bewohner (Rn 22). Auch die grundsätzliche Angst oder Besorgnis einzelner Eigentümer darf im Rahmen der Ermessensausübung Berücksichtigung finden und – wenn die Mehrheit dies wünscht – beispielsweise auch eine generelle Anleinpflicht auslösen. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass nur eine solche generelle Anleinpflicht ordnungsmäßigen Gebrauchs entspricht. Vielmehr ist es grundsätzlich nicht ermessenswidrig, wenn dem Spielen mit unangeleinten Hunden der Vorrang eingeräumt wird. Etwas anderes könne aber – so der BGH weiter – dann gelten, wenn das Absehen von einer generellen Anleinpflicht für Hunde zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung führen würde. Dies war jedoch nach den getroffenen Feststellungen im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die rein abstrakte Angst vor künftigen Beeinträchtigungen zwang die Mehrheit nicht dazu, zu einem schärferen Mittel zu greifen. Vielmehr war ihr die Möglichkeit eröffnet, die beschlossene Regelung zunächst einmal auf ihre Praktikabilität hin zu erproben. Sollte sich an der aktuellen Situation etwas ändern, hätte die Mehrheit ohne weiteres die Möglichkeit, hierauf mit einem Widerruf der Erlaubnis oder anderen – restriktiveren – Regelungen zu reagieren.

Fazit für den Verwalter

Ebenso wie bei anderen Verwaltungsmaßnahmen (z. B. Instandhaltung und Instandsetzung) ist der Mehrheit auch bei Gebrauchsregelungen ein grundsätzlich weiter Ermessensspielraum eröffnet, der gerichtlich nur beschränkt überprüfbar ist. Der hier angefochtene Mehrheitsbeschluss bietet eine gute Formulierungshilfe. Insgesamt bietet die Entscheidung einige praxistaugliche Ansatzpunkte dafür, welche Umstände die Eigentümerversammlung bei einer Ermessensausübung in ihre Beschlussfassung einbeziehen und gegeneinander abwägen sollte.

Ist es in der Vergangenheit nicht zu konkreten Belästigungen von Bewohnern gekommen, sondern besteht mehr eine abstrakte Angst vor Hunden, ist es der Mehrheit gestattet, im Rahmen ihrer Ermessensausübung zu einer verhältnismäßig gesehen milden Restriktion zu greifen. Diese bestand vorliegend darin, dass festgelegt wurde, Bewohner oder Gäste nicht durch Hunde zu belästigen, die Hunde also stets unter Aufsicht des Hundehalters oder einer vertrauten Person laufen müssen (Rn 20).
Je nach Bundesland sollte ein Verwalter prüfen, welche Grenzen ein Gefahrhundegesetz zieht. Hierüber sollten die Eigentümer spätestens vor der Abstimmung unterrichtet werden.
Den Entscheidungsgründen lässt sich nicht entnehmen, ob die bestehende Hausordnung Vereinbarungscharakter hatte oder durch Mehrheitsbeschluss aufgestellt worden war. Dieser Passus der Entscheidungsgründe (Rn 8) deutet darauf hin, dass selbst bei Bejahung eines Vereinbarungscharakters eine gesetzliche Beschlusskompetenz zur Änderung der Gemeinschaftsordnung bestand, und zwar gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG. Hiermit musste sich der BGH nicht näher befassen.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft Hamburg

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